Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

290 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. & 26 
  
verpflichtet, bei allen wichtigeren Geschäften des auswärtigen Dienstes 
den Befehl des Kaisers einzuholen. Massgebend dafür sind die in der preus- 
sischen Verordnung vom 27. Oktober 1810 über die Verfassung der Staats- 
behörden enthaltenen Vorschriften !). Für die Ernennung des gesamten 
Gesandtschaftspersonals muss die Genehmigung des Kaisers eingeholt werden, 
auch wenn die Beamten nicht eine kaiserliche Bestallung, sondern nur eine 
vom Reichskanzler ausgefertigte Anstellungsurkunde erhalten. 
II. Konsulate 2). 1. Zuständigkeit des Reiches und 
der Einzelstaaten. Für das Konsulatswesen ist ein anderes Prinzip 
massgebend wie für das Gesandtschaftsrecht, indem nach der RV. Art. 4 
Z. 7 und Art. 56 dem Reich die ausschliessliche Verwaltung des 
Konsulatswesens zugewiesen ist. Art. 4 führt unter den Gegenständen, 
auf welche die Kompetenz des Reiches sich erstreckt, unter Ziff. 7 auf: ‚Die 
Organisation eines gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels 
im Ausland, der deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur See und die An- 
ordnung gemeinsamer konsularischer Vertretung, welche vom Reiche 
ausgestattet wird‘, und Art. 56 Abs. 2 enthält das durchgreifende Verbot: 
„In dem Amtsbezirke der deutschen Konsuln dürfen neue Landeskonsulate 
nicht errichtet werden“. Die Landeskonsulate wurden nur interimistisch 
geduldet, bis die Organisation der deutschen Konsulate vollendet war. Die- 
sem ausschliesslichen Rechte des Reiches entspricht die Pflicht desselben, 
überall da Konsulatsvertretungen einzurichten, wo dies durch das Interesse 
auch nur eines Bundesstaates geboten ist. Es folgt dies aus dem im Art. 3 
Abs. 6 der RV. ausgesprochenen Grundsatz, dass dem Auslande gegenüber 
alle Deutschen gleichmässig Anspruch auf den Schutz des Reiches haben, und 
ist ausdrücklich anerkannt worden in den Bündnis-Verträgen des Nord- 
deutschen Bundes mit den süddeutschen Staaten ?). 
Dagegen ist es den deutschen Staaten unbenommen, innerhalb des 
Bundesgebietes Konsuln zu bestellen zur Pflege der besonderen Handels- 
interessen ihrer Angehörigen *). | 
2. Amtsgeschäfte. Konsuln können im allgemeinen ebensowenig 
1) Preuss. Ges.Samml. v. 1810 S. 3 ff. bes. S. 20. Vgl. Störk in v. Stengels 
Wörterbuch II 8. 133. 
2) Konsulatsgesetz v. 8. Nov. 1867. (BGBl. 1867 S. 137.) Dazu All- 
gemeine Dienst-Instruktion v. 6. Juni 1871 und Nachtrags-Instrukt. v. 22. Febr. 1873. 
Gesetz betreff. die Gebühren und Kosten bei den Konsulaten vom 
17. Mai 1910 (RGBl. 8. 847). Gesetz betr. Eheschliessung und Be- 
urkundung des Personenstandes im Auslande vom 4. Mai 1870 
(BGBl. S. 599). Dazu Instruktion v. 1. März 1871 und 11. Dez. 1885. Seemanns- 
Ordnung v. 2. Juni 1902 (RGBI. 8. 175). Gesetz betr.die Konsular- 
gerichtsbarkeit vom 7. April 1900 (RGBil. S. 213). Ferner kommen in 
Betracht die zahlreichen Konsularverträge des Reiches. Das Hauptwerk der Literatur 
ist König, Handbuch des deutschen Konsularwesens. 7. Aufl. Berlin 1909, welches 
eine ausführliche Darstellung der Materie enthält. Ferner v. Ullmann $. 209 ff. 
3) Badisch-Hess. Bündnis-Vertr. Nr. 6. Württemb. Vertr. Nr. le. Bayerisch. 
Schlussprotokoll XII Abs. 2. 
4) Die Zahl dieser Konsulate ist noch inimer ziemlich groß; ihr Wirkungskreis 
unbedeutend. Zorn, Staatsr. II S. 455 nennt sie ein sinnloses Ueberbleibsel klein- 
staatlicher Titelsucht. Näheres siehe in meinem Aufsatz in der Revue generale de droit 
international public. Paris 1904. S. 121 ff.
	        
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