224 Siebenter Abschnitt: Die einzeinen Zweige der Verwaltung. $ 26
den juristischen Begriff der cura absentis; der Konsul ist nicht als negotiorum
gestor im Sinne des Privatrechts anzusehen, sondern er hat einen staat-
lichen Auftrag. Der Konsul kann nur eingreifen, wenn weder die Be-
teiligten selbst zur Stelle sind oder für anderweitige Vertretung ihrer In-
teressen Sorge tragen, noch die territoriale Staatsgewalt die Fürsorge für
diese Interessen ihren eigenen Behörden ausschliesslich beilegt. Die Kon-
sularverträge haben in dieser Beziehung die Befugnisse der deutschen Konsuln
gesichert. Anwendungsfälle sind die Fürsorge für Verlassenschaften von
Reichsangehörigen !), für Bergungs- und Rettungsmassregeln bei Unfällen,
von welchen deutsche Schiffe betroffen werden ?2), Wahrung der Interessen
des Reeders bei einer notwendigen Veräusserung oder Verbodmung des Schif-
fes 3), Einsetzung eines Schiffsführers an Stelle eines verstorbenen, erkrankten
oder zur Führung des Schiffes untauglich gewordenen Schiffers t).
e) Konsuln als Urkundspersonen. Dieselben können
öffentliche Urkunden ausstellen über ihre eigenen amtlichen
Handlungen und über die bei Ausübung ihres Amtes wahrgenommenen
Tatsachen °). Sie können ferner Urkunden, welche als von einer ausländischen
öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen
Person des Auslandes ausgestellt oder aufgenommen sich darstellen, leg a-
lisieren, d.h. deren Echtheit beglaubigen ®). Sie können endlich N o-
tsrists-Urkunden aufnehmen in Ansehnung aller Rechtsgeschäfte,
welche Angehörige des Reiches errichten oder welche sie untereinander oder
mit Fremden schliessen ?).
f) Richterliche Befugnisse. In der Türkei und einigen Staaten
Asiens steht den Konsuln eine volle, auf Zivil- und Strafsachen sich erstrek-
kende Gerichtsbarkeit über Reichsangehörige und Schutzgenossen zu.
Abgesehen hiervon, ist den Reichskonsuln die Vornahme einzelner Rechts-
akte übertragen, welche in Deutschland zur Kompetenz der Gerichtsbehörden
gehören, so dass diesen Rechtsakten im Bundesgebiet die gleiche Wirkung
beigelegt wird, als wären sie von inländischen Gerichten vollzogen worden;
nämlich auf Ersuchen der Behörden des Reiches oder eines Bundesstaates
Zustellungen jeder Art zu bewirken ®), Verklarungen aufzunehmen und in
Fällen der grossen Havarei auf Antrag des Schiffsführers die Dispache auf-
zumachen °), sowie in dem im $ 12 des Reichsgesetzes vom 22. Juni 1899
vorgesehenen Falle interimistische Schiffszertifikate (Flaggen-Atteste) zu
1) Konsulatsges. $ 18. König S. 306 ff.
2) Konsulatsges. $ 36. König 8. 567 ff.
3) Konsulatsges. $ 37. Handelsgesetzb. $ 530. 685. König 8. 576 ff.
4) Konsulatsges. $ 35. König 9. 544.
5) Konsulatsges. $ 15. Vgl. ZivilprozO. $ 415 ff.
6) Konsulatsges. $ 14. RG. v. 1. Mai 1378. $ 2. (RGBl. S. 89). ZivilprV.
$ 438. Dieselbe Befugnis haben auch die Gesandten des Reiches. König 8. 258.
7) Konsulatsges. $ 16. 17. Hinsichtlich der Verfügungen von Todes wegen siehe
das Einf.-Ges. zum Bürgerl. GB. Art. 38. II. Vgl. auch das RG. über die freiwillige
Gerichtsbark. v. 17. Mai 1898 $ 183 (Bescheinigungen für das Reichsschuldbuch). Vgl.
mein Staatsr. des D. R. (4. Aufl.) IIIS. 26 fg.u. König S. 285 ff.
8) Konsulatsges. $ 19. ZivilprozO. $$ 199 202 Abs. 2. Konsulargerichtsbarkeits-
gesetz v. 7. April 1900 $ 28. König S. 329.
9) Konsulatsges. $ 36. Vgl. Handelsgesetzb. $$ 524, 729. König S. 569.