Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

930 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. $ 27 
  
I. Die Zuständigkeit des Reiches. 1. Dem Reiche steht 
für das ganze Reichsgebiet die ausschliessliche Befugnis zur 
Gesetzgebung über die Vorrechte der Post und Telegraphie, über 
die rechtlichen Verhältnisse beider Anstalten zum Publikum, über die Porto- 
freiheiten und das Posttaxwesen zu, mit Ausnahme der reglementarischen 
und Tarifbestimmungen für den internen Verkehr innerhalb Bayerns, be- 
ziehungsweise Württembergs !). 
2. Dem Reiche steht für das ganze Reichsgebiet mit Ausnahme von 
Bayern und Württemberg die unmittelbare Verwaltung der 
Post und Telegraphie zu, welche für Rechnung des Reiches geführt wird ?). Nur 
hinsichtlich der Anstellung der Beamten ist im Art. 50 der RV. den Einzel- 
staaten ein Anteil zugestanden. Der Kaiser ist zuständig zur Anstellung 
der oberen Beamten und der zur Wahrnehmung des Aufsichtsdienstes in den 
einzelnen Bezirken als Organe der oberen Behörden fungierenden Post- und 
Telegraphenbeamten ®); die Landesregierungen sind befugt, die 
anderen bei den Verwaltungsbehörden der Post und Telegraphie erforder- 
lichen Beamten, sowie alle für den lokalen und technischen Betrieb bestimmten, 
mithin bei den eigentlichen Betriebsstellen fungierenden Beamten usw. 
anzustellen. RV. Art. 50 Abs. 5. Auch diese Beamten sind verpflichtet, 
den kaiserlichen Anordnungen Folge zu leisten (RV. Art. 50 Abs. 3), und 
sie sind den Vorschriften des Reichsbeamten-Gesetzes unterworfen. (Siehe 
oben S.101 amE.) Diese, den einzelnen Staaten eingeräumten Befugnisse sind 
indes eingeschränkt durch den Grundsatz: „Wo eine selbständige 
Landespost- und Telegraphenverwaltung nicht besteht, entscheiden die 
Bestimmungen der besonderen Verträge“ (RV. Art. 50 Abs. 6); das heisst: 
soweit ein Staat schon bei der Gründung des Nordd. Bundes resp. Deutschen 
Reiches sich der Verwaltung des Post- und Telegraphenwesens begeben hatte, 
sollte er nicht in Verwaltungsbefugnisse wieder eingesetzt werden, und es 
ist keinem Staate verwehrt, auf die nach der Verfassung ihm verbliebenen 
Befugnisse vertragsmässig zu verzichten. Infolge dieses Grundsatzes sind 
die Verwaltungsbefugnisse des Reiches tatsächlich bei weitem umfassender, 
als es nach dem Wortlaut der RV. scheint, und die den einzelnen Staaten im 
Art. 50 zugestandenen Ernennungsrechte bestehen nur in sehr beschränktem 
Umfange. Die gesamte Postverwaltung mit Einschluss der Ernennung sämt- 
licher Beamten wird vom Reich geführt in Preussen®) und denjenigen 
Gebieten, in denen Preussen schon vor Errichtung der Nordd. Post- und 
1897. FürBayernsiehev.Seydel, Bayr. Staatsr. Bd. 38.319 ff.; fürWürttem- 
berg Göz, Stautsr. des Kgr. W. (Tüb. 1908) S. 521 £f. 
1) Reichsverf. Art. 4 Ziff. 10: Art. 52 Abs. 2. Postges. $ 50 letzter Abs. Post- 
taxgesetz $ 13. Telegraphenges. $ 15. Fernsprechgebührenordn. $ 12. 
2) Reichsverf. Art. 48 Abs. 1; Art. 49. 
3) Die Beamten, welche vom Kaiser gemäss der RV. ernannt werden und den 
Diensteid der unmittelbaren Reichsbeamten zu leisten haben, sind die Ober- 
postdirektoren, Oberposträte, Posträte, Postbauräte, Postinspektoren und Ober-Post- 
kassen-Rendanten. Von der Ernennung dieser Beamten wird den einzelnen Landes- 
regierungen, soweit dieselben ihre Gebiete betreffen, Mitteilung gemacht. Reichsverf. 
Art. 50 Abs. 4. Vgl. Bohn S$. 44 fg. 
4) Auf Grund eines Allerh. Erlasses v. 28. Sept. 1867. Pr. Ges. Samml. S. 1780.
	        
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