$ 27 Die öffentlichen Verkehrsanstalten. A. Post- u. Telegraphenwesen. 231
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Telegraphen-Verwaltung das Post- und Telegraphen-Regal erworben hatte,
d.h.inHessen, Anhalt, Waldeck, beiden Lippe, in den
Oldenb. Fürstentümern Lübeck und Birkenfeld und
in sämtlichen Thüringischen Staaten; ferner in El-
sass-Lothringen, den Hansestädten Hamburg, Bremen und
Lübeck!)undinOldenburg. Dagegen erfolgt im Königreich Sa ch-
sen, in beiden Mecklenburg, in Braunschweig und in
Baden auf Grund von Vereinbarungen, welche zwischen dem Reichskanzler
und den betreffenden Landesregierungen getroffen worden sind, die Annahme
und Entlassung der im Vorbereitungsdienste befindlichen Beamten, sowie
die Anstellung sämtlicher Unterbeamten durch die Behörden des Reiches,
die Anstellung, Beförderung und Entlassung der oberen Beamten, soweit
sie nicht nach der Verfassung dem Kaiser über-
tragen ist, seitens der Landesregierungen, denen die betreffenden An-
träge von der Reichsbehörde zugehen ?).
Bayern und Württemberg behielten gemäss den mit diesen
Staaten abgeschlossenen Verfassungsbündnissen besondere Postverwaltungen
und haben an den zur Reichskasse fliessenden Einnahmen des Post- und Te-
legraphenwesens keinen Teil, sondern verwalten diese Verkehrsanstalten
auf eigene Rechnung ?). Diese Sonderrechte sind im Art. 52 der RV. an-
erkannt ?).
3. Dem Reiche steht die Regelung des Post- und Telegraphen-Verkehr;s
mit dem Auslande zu. Auf Bayern und Württemberg findet dieser Satz im
allgemeinen ebenfalls Anwendung, da dem Auslande gegenüber Deutschland
in allen Beziehungen als Einheit handelt. Die Wahrnehmung der Beziehungen
zu anderen Po st- und Telegraphen-Verwaltungen steht nach Art. 50 Abs. 2
der RV. dem Kaiser zu. Die Bayerische und die Württembergische Postver-
waltung haben jedoch die Befugnis, ihren eigenen unmittelbaren
Verkehr mit ihren dem Reiche nicht angehörenden Nachbarstaaten zu regeln,
unter Beobachtung der im Art. 49 des Postvertrages vom 23. Nov. 1867 ge-
troffenen Bestimmungen. RV. Art. 52 Abs. 3.
1) Art. 51 der Nordd. Bundesverf.
2) Vgl. die näheren Angaben im Reichsstaatsrecht Bd. III S. 44 ff. u. bei Sy-
dow S. 294. Im Kgr. Sachsen hat Preussen das Recht zur Anstellung der Tele-
graphenbeaınten durch Art. 17 des Friedensvertrages v. 21. Oktob. 1866 erhalten.
3) Vgl. Seydel in Hirths Annalen 1882 S. 617 ff. Zwischen dem Reich und
Württemberg ist jedoch vertragsinässig vom 1. April 1902 an eine Gemeinschaft der
Einnahmen und ein bestimmter Verteilungsmassstab festgesetzt worden, ohne dass
dadurch die eigene Post- und Telegraphenverwaltung Württembergs aufgehoben wor-
den ist. Vgl. darüber das Archiv f. Post und Telegraphie. Jahrgang 1902 Nr. 10.
4) In Württemberg steht jedoch gemäss der Militär-Konvent. vom 21./25. Novemb.
1870 Art. 11 im Falle eines Krieges von dessen Ausbruch bis zu dessen Beendigung
die obere Leitung des Telegraphenwesens, soweit solches für die Kriegs-
2wecke eingerichtet ist, dem Kaiser zu. Die württemberg. Regierung hat
sich demgemäss verpflichtet, bereits während des Friedens die bezüglichen Einrichtungen
in Uebereinstimmung mit denjenigen des Reiches zu treffen und insbesondere bei dem
Ausbau des Telegraphennetzes darauf Bedacht zu nehnien, auch eine der Kriegsstärke
ihres Armeekorps entsprechende Feldtelegraphie zu organisieren. Die Bedeutung dieser
Bestimmung liegt mehr auf dem Gabiete des Heerwesens, als auf dem der Tele-
graphie als Verkehrsanstalt.