Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

234 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. $ 27 
  
dafür zu bezahlende Gebühr gesetzlich normiert oder ihre Normierung dem 
Reichskanzler übertragen !) oder sie sind zum Gegenstande internationaler 
Vereinbarungen gemacht, und es ist sonach gesetzlich anerkannt, dass sich 
die Postanstalt mit der Uebernahme solcher Leistungen zu befassen hat. 
Durch das RG. v. 30. Mai 1908 (RGBl. S. 321) ist die Erhebung des Wechsel- 
protestes durch einen Postbeamten zugelassen, durch $ 3 des Ges. aber vor- 
behalten, dass der Reichskanzler mit Zustimmung des Bundesrats anordnen 
kann, dass die Postverwaltung für bestimmte Fälle, insbesondere mit Rück- 
sicht auf die Art des Protestes oder die Höhe der Wechselsumme, die Protest- 
erhebung nicht übernimmt ?). Durch die Ausführungsbestimmungen zum 
Wechselstempelgesetz (Zentralbl. 1909 S. 402 ff.) $ 4 erfolgt der Vertrieb der 
Wechselstempelmarken und gestempelten Vordrucke durch die Postanstalten; 
ebenso nach $ 1412 der R.Vers.Ord. der Vertrieb der Versicherungsmarken. 
Ferner erfolgt nach demselben Gesetz die Auszahlung der Entschädigungen 
und Renten durch die Post ?). Endlich ist der Reichskanzler durch das RG. 
v. 18. Mai 1908 8 2 (RGBl. S. 197) ermächtigt worden, den Postüberweisungs- 
und Scheckverkehr einzuführen und von dieser Ermächtigung hat der Reichs- 
kanzler Gebrauch gemacht ?). So wenig aber die Postverwaltung durch alle 
diese Vorschriften gehindert ist, ihren Geschäftsbetrieb auch auf andere 
Transportgegenstände oder auf andere Beförderungsarten oder andere Ge- 
schäfte auszudehnen, ebensowenig ist es ihr verwehrt, die Uebernahme von 
Postsendungen durch reglementarische Anordnungen oder Einrichtungen a 1 1- 
gemein einzuschränken oder abzulehnen. Nur im einzelnen Falle 
darf die Benutzung der Postanstalt niemandem verweigert oder an erschwerte 
Bedingungen geknüpft werden °). Eine ausdrückliche gesetzliche Anerkennung 
hat dieser Grundsatz im $ 3 des Postgesetzes hinsichtlich des Vertriebs po- 
litischer Zeitungen gefunden. Keine im Gebiete des Deutschen Reiches er- 
scheinende politische Zeitung darf vom Postdebit ausgeschlossen werden; 
für alle diese Zeitungen müssen hinsichtlich der Berechnung der Gebühren, 
welche für die Beförderung und Debitierung zu erheben sind, gleichmässige 
Grundsätze angewendet werden und die Post ist verpflichtet, sowohl die 
Pränumeration anzunehmen als auch den gesamten Debit derselben zu 
besorgen. In ähnlicher Weise ist im $ 5 des Telegraphengesetzes der Grund- 
satz sanktioniert worden, dass jedermann gegen Zahlung der Gebühren 
das Recht auf Beförderung von ordnungsmässigen Telegrammen und auf 
Zulassung zur Benutzung der Telephone hat. Ebenso in der Postscheckord. 
$ 1 Abs. 1. 
Auch in räumlicher Beziehung ist der Umfang des Geschäftsbetriebs 
der Post gesetzlich nicht normiert; es ist dem Ermessen der Verwaltung 
völlig überlassen, an welchen Orten sie Expeditionen (Postämter) errichten 
1) Posttaxges. 88 2. 3. Postgesetz $ 50. 
2) Von dieser Ermächtigung hat der Reichskanzler Gebrauch gemacht durch d’e 
Eng v.5. Aug. 1908 (RGBl. S. 482). Vgl. Postordn. $ 18 a (Zentralbl. v. 1908 
3) RVO. $$726 ff. 988. 1159 ff. 1383 ff. Ges. über die Angestelltenvers. $$313—-319. 
4) Postscheeckordnung v. 6. Nov. 1008 (RGBl. S. 587). 
53) Coermann, Zeitschr. £f. Eisenbahnrecht Bd. 24 S. 411 ff. (1908).
	        
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