Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 27 Die öffentlichen Verkehrsanstalten. A. Post- u. Telegraphenwesen. 941 
bis zu 1500 M. oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft !). 
Die unbefugt errichteten oder betriebenen Anlagen sind ausser Betrieb zu 
setzen oder zu beseitigen. Das Verfahren ist das verwaltungsrechtliche 
Zwangsverfahren nach Massgabe der Landesgesetze; das Verfahren ist ein- 
zuleiten auf Antrag des Reichskanzlers oder der vom Reichskanzler dazu 
ermächtigten Behörde. Gegen die im Verwaltungsverfahren ergangene 
Entscheidung steht der Rechtsweg offen ?). 
Das Gesetz über das Telegraphenwesen gilt auch in Bayern und 
Württemberg, jedoch mit der Massgabe, dass diese Staaten für ihre 
Gebiete diejenigen Rechte haben, welche im übrigen Bundesgebiete dem 
Reich zustehen ?). Die dem Reichskanzler zugewiesenen Befugnisse werden 
in diesen beiden Staaten von den zuständigen Ministerien ausgeübt. 
2, Rechte an den Eisenbahnen. a) Die Leistungen der 
Eisenbahnen für die Post sind geregelt durch das Reichsgesetz 
vom 20. Dezember 1875 (RGBl. S. 318), welches jedoch in Bayern und Würt- 
temberg nicht gilt *). Es kommt für Staatsbahnen mit Einschluss der Reichs- 
eisenbahnen ebenso wie für Privatbahnen zur Anwendung; die auf speziellen 
Rechtstiteln beruhenden Rechte, insbesondere die durch Konzessionen oder 
Verträge begründeten Rechtsverhältnisse zwischen der Post und den Eisen- 
bahnen hat es zwar unberührt gelassen, den konzessionierten Eisenbahn- 
Unternehmern aber die Befugnis eingeräumt, an Stelle der konzessionsmässigen 
Verpflichtungen die durch das Gesetz angeordneten zu übernehmen °). Für 
schmalspurige Eisenbahnen und für Eisenbahnen von untergeordneter Be- 
deutung kann der Reichskanzler die gesetzlichen Verpflichtungen für die 
Zwecke des Postdienstes ermässigen oder ganz erlassen *). Die Eisenbahnen 
sind verpflichtet, ihren Betrieb, soweit es die Natur und die Erfordernisse 
desselben gestatten, so einzurichten, dass er den Bedürinissen des Post- 
dienstes entspricht; dies bezieht sich teils auf Anordnung des Fahrplanes 
teils auf die Herstellung der für den Dienstbetrieb der Post erforderlichen 
Räume in den Stationsgebäuden ?). Bei einer Meinungsdifferenz zwischen 
der Post- und Eisenbahnverwaltung über die Bedürfnisse des Postdienstes 
und über die Natur und die Erfordernisse des Eisenbahnbetriebes entscheidet 
unter Auss:hluss des Rechtsweges der Bundesrat na:h Anhörung der 
Reichs-Postverwaltung und des Reichseisenbahnamts. Die Eisenbahnen 
haben ferner die Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung 
von Briefpostsendungen, Zeitungen, Geld, Juwelen und Pretiosen ohne 
  
1) TelegrGes. $ 9. Die Uebertretung der Kontrollvorschriften wird mit Geld- 
strafe bis zu 150 M. bestraft. $ 10 eod. 
2) TelegrGes. $ 11. 
3) TelegrGes. $ 15. Auch können die Gebühren für den inneren Verkehr dieser 
Staaten ohne reichsgesetzliche Genehmigung nicht erhöht werden. 
4) RG. v. 20. Dez. 1875 Art. 13. 
5) Ebend. Art. 11. Erwirbt ein Bundesstaat cine konzessionierte Eisenbahn, 
so treten mit dem Uebergang derselben in das Eigentum des Staates die gesetzlichen 
Leistungen für die Post an die Stelle der konzessionsmässigen. 
6) Ebenda. Art. 9. Zur Ausführung dieses Artikels sind die Bestimmungen vom 
28. Mai 1879 (Zentralbl. S. 380) ergangen. Vgl. auch das Preuss. Ges. über Kleinbahnen 
v. 28. Juli 1892 $ 42. — 7) Art. 1 Abs. und 2, Art. 2 Abs. 3 Art. 7 des Gesetzes. 
Laband, Reichsstarstsrecht. 6. Aufl. 16
	        
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