248 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. $ 27
welche das Reich nicht durch das die Eisenbabn-Anlage genehmigende Ge-
setz ausdrücklich oder nach der Natur der Sache auf sich selbst oder den
Privatunternehmer überträgt. Ueber die weitergehenden Rechte des Reichs
in Els.-Lothr. nach dem RG. v. 31. Mai 1911 $ 24 siehe oben S. 194.
2. „Jede bestehende Eisenbahnverwaltung — also auch die Staats-
verwaltungen — ist verpflichtet, sich den Anschluss neu angelegter Eisen-
bahnen auf Kosten der letzteren gefallen zu lassen“.
3. Kein Staat ist befugt, einem Eisenbahnunternehmer ein Wider-
spruchsrecht gegen die Anlegung von Parallel- oder Konkurrenzbahnen
zu verleihen. Alle gesetzlichen Bestimmungen der Einzelstaaten,
welche bestehenden Eisenbahn-Unternehmungen ein solches Recht einräu-
men, sind durch die Verfassung aufgehoben. Soweit jedoch ein solches
Widerspruchsrecht die Eigenschaft eines erworbenen Rechtes hat, d. h. auf
speziellem Rechtstitel (Privileg, Vertrag) beruht, bleibt es in Kraft.
II. Um die Einheitlichkejit des Betriebes auf sänt-
lichen Bahnen Dautschlands zu sichern, bestimmt Art. 42 der RV.: ‚Die
Bundesregierungen verpflichten sich, die deutschen Eisenbahnen im Inter-
esse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz verwalten und zu
diesem Behuf auch die neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen Nor-
men anlegen und ausrüsten zu lassen.“ Die Verfassung fällt hier vollkommen
aus der Ausdrucksweise des Gesetzgebers heraus; sie befiehlt nicht, sie sank-
tioniert keine Regel, sondern sie enthält ein Versprechen der Einzelstaaten ;
das Reich legt nicht den Bundesstaaten eine Pflicht auf, sondern die Bundes-
regierungen „verpflichten sich“. Dieser Ausdrucksweise liegt der Gedanke
zu Grunde, dass das Eisenbahnwesen der Selbstverwaltung der
Einzelstaaten überlassen bleiben soll; dass nicht das
Reich, sondern die Bundesstaaten kraft eigenen Rechts die Hoheitsrechte
über die Eisenbahnen auszuüben haben. Die Bundesstaaten sollen nur nach
übereinstimmenden Grundsätzen und in gleicher Art und Weise ihre Ver-
waltungsbefugnisse ausüben. Den Vorschriften der RV. über das Eisenbahn-
wesen, die sich unmittelbar an den Abschnitt über das Zollwesen anschliessen,
liegt in manchen Beziehungen eine ähnliche Anschauung von dem Verhältnis
der Einzelstaaten zu einander und zu dem Reiche zu Grunde wie sie hinsicht-
lich des Zollwesens Anerkennung gefunden hat. In welcher Form und durch
welches Organ resp. mit welchen Mitteln das Reich befugt ist, die einzelne
Bundesregierung zur Erfüllung der nach Art. 42 der RV. übernommenen Ver-
pflichtung anzuhalten, ergibt sich aus diesem Artikel nicht. Derselbe hat
jedoch eine nähere Bestimmung erhalten durch Art. 43 und Art. 46 der RV.,
welche folgende Rechtssätze aufstellen:
1. „Es sollen demgemäss in tunlichster Beschleunigung übereinstimmende
Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche Bahnpolizeireglements
eingeführt werden.‘ Die Beantwortung der Frage, wer zur Einführung be-
fugt ist, ergibt sich aus dem engen Zusammenhange dieses Satzes mit dem
unmittelbar vorhergehenden Art. 42, der durch das Wort ‚„demgemäss“
noch besonders hervorgehoben wird. Die ‚„Bundesregierungen‘“ sind als das