Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 27 Die öffentlichen Verkehrsanstalten. B. Das Eisenbahnwesen. 951 
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Verwaltungen die Tarife vorzuschreiben, nicht zugewiesen. Die „Kontrolle“ 
enthält lediglich die Befugnis, von den bestehenden Tarifen in Kenntnis 
gesetzt zu werden !), und das Recht der Ueberwachung, dass die Eisen- 
bahnverwaltungen bei Aufstellung und Veröffentlichung der Tarife den 
für sie bestehenden Vorschriften genügen und bei dem Abschluss der Trans- 
portverträge die bestehenden Tarife innehalten. Eine reichsgesetzliche 
Grundlage für die Handhabung dieser Kontrolle fehlt zur Zeit. Die Vor- 
schrift des Art. 45 sollte eine Handhabe sein, mittelst deren das Reich auf 
die Fortentwicklung und Umgestaltung des Tarifwesens einwirken könne; 
sie sollte dem Reich einen Einfluss auf die sogen. Tarifpolitik sichern ?). 
Zur näheren Bestimmung der Tragweite des im Art. 45 an die Spitze gestellten 
Prinzips sind ihm noch folgende Sätze beigefügt worden: 
1. „Das Reich wird namentlich dahin wirken, dass baldigst auf allen 
deutschen Eisenbahnen übereinstimmende Betriebsregle- 
ments eingeführt werden.“ Zum Verständnis dieser Bestimmung ist zu- 
nächst zu bemerken, dass nach einem sonderbaren Sprachgebrauch man mit 
dem Namen ‚‚Betriebsreglement‘‘ die Transportbedingungen bezeichnete 
und zwar gerade mit Ausnahme der Tarife. Dass diese Bedingungen auf allen 
deutschen Bahnen und darüber hinau;, auf allen Bahnen des Kontinents 
einen möglichst übereinstimmenden Inhalt haben, liegt ebensowohl im In- 
teresse des Verkehrs und der Rechtssicherheit als im Interesse der Eisen- 
bahnverwaltungen. Die letzteren einigten sich schon frühzeitig für den sogen. 
Verbandsverkehr zu gemeinsamen Reglements und eine grosse Anzahl deut- 
scher Eisenbahnverwaltungen gründete einen Eisenbahnv:rein, welcher 
bereits 1850 ein Güterverkehrsreglement vereinbarte. Wesentlich dieselben 
Bestimmungen wurden auch für andere Eisenbahnen in Kraft gesetzt und 
allmählich erstreckte sich der Verein über alle deutschen und österreichisch- 
ungar. Eisenbahnen und darüber hinaus. Rechtlich aber bestand die Befug- 
nis jeder einzelnen Verwaltung, sowohl aus dem Verein auszuscheiden, 
als auch willkürlich Abänderungen des Reglements vorzunehmen. Durch 
den Art. 45 der Norddeutschen Bundesverfassung sollte dem Nordd. Bunde 
die Aufgabe zugewiesen werden, die Einheitlichkeit der Veikehrsvoıschriften 
auf allen norddeutschen Eisenbahnen, soweit dies noch erforderlich war, 
herbeizuführen und ihre Aufrechterhaltung zu sichern. Zur Ausführung die- 
ses Artikels hat der Bundesrat ein Reglement für die Eisenbahnen im Nordd. 
Bunde beschlossen, welches am 1. Oktober 1870 in Kraft getreten ist. Durch 
die RV. wurde diese Zuständigkeit erweitert auf die süddeutschen Staaten 
mit Ausnahme Bayerns und das Reglement von 1870 wurde einer Umarbeitung 
unterzogen. Infolgedessen ergingen das Betriebsreglement vom 11. Mai 1874 
und ein gleichlautendes für Bayern vom 2. Juni 1874. In Oesterreich-Ungarn 
und einigen anderen mitteleuropäischen Staaten (Luxemburg, Niederlande 
usw.) wurden dieselben Reglements mit unbedeutenden Abweichungen er- 
1) Vgl. Verf. des Reichs-Eisenbahnamtes v. 24. Dez. 1874 und v. 30. Sept. 1875. 
Zentralbl. 1875 8. 79, 6857. — 2) Vgl. die nähere Ausführung im Reichsstaatsr. III 
8. 116 ff.; Eger II 8. 246 ff. und Kiefer, Aufsichtsrecht des Reichs 8. 103 ff. 
 
	        
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