Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

258 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. $ 28 
  
  
  
  
  
  
des Bundesgebietes mit dem vorschriftsmässigen Stempelzeichen beglaubigten 
Masse, Gewichte und Messwerkzeuge im ganzen Bundesgebiete im öffent- 
lichen Verkehr angewendet werden dürfen !). 
Hinsichtlich der elektrischen Messwerkzeuge ist die Physikalisch- 
Technische Reichsanstalt mit der Herstellung, Kontrolle und Aufbewahrung 
der Normale, der amtlichen Prüfung und Beglaubigung der Messgeräte und 
Normale und der Ueberwachung des Prüfungswesens betraut. Ges. v. 1. Juni 
1898 8 7—10 2). 
II. Hinsichtlich der Vermessung von Seeschiffen be- 
stimmt RV. Art. 54 Abs. 2: „Das Reich hat das Verfahren zur Ermittelung 
der Ladungsfähigkeit der Seeschiffe zu bestimmen , die Ausstellung der 
Messbriefe sowie der Schiffszertifikate zu regeln.‘‘ Auf Grund dieser Ver- 
fassungsbestimmung hat der Bundesrat die Schiffsvermessungs-Ordnung 
vom 5. Juli 1872 3) erlassen, an deren Stelle nun die Schiffsvermes- 
sungsordnung vom. März 1895 (RGBl. S. 135) getreten ist *). Art. 54 
erkennt aber nur die Kompetenz des Reichesim Gegensatz zur Kompetenz 
der Einzelstaaten an; er enthält keine Ermächtigung für den Bundesrat. 
In betreff der Form, in welcher die Anordnungen zu ergehen haben, entschei- 
den daher die allgemeinen Vorschriften der RV. Dem Bundesrat steht nach 
Art. 7 Ziff. 2 nur der Erlass von allgemeinen Verwaltungs vorschriften 
zu. Die Schiffsvermessungs-Ordnung geht aber darüber hinaus; sie enthält 
Rechts vorschriften; denn sie begründet rechtliche Verpflichtungen der 
Erbauer, Rheder und des Führers eines Schiffes in bezug auf die Vermessung 
desselben, sie regelt das Vermessungssystem und sie normiert indirekt die 
Berechnung gewisser Schiffahrts-Abgaben; sie charakterisiert sich überhaupt 
als ein Spezialgesetz zur Ergänzung der Mass- und Gewichts-Ordnung und 
hätte wie diese im Wege der Gesetzgebung erlassen werden sollen. Der 
Schiffsverm.-Ord. mangelt daher die Rechtsverbindlichkeit, soweit sie nicht 
blosse Verwaltungsvorschriften für die Schiffsvermessung -Behörden 
enthält >). 
Alle zur Seefahrt (vgl. RG. v. 13. Nov. 1873 RGBl. S. 367) bestimmten 
Schiffe unterliegen der Vermessungspflicht. Die Vermessung erfolgt nach 
metrischem Masse und ist darauf gerichtet, den Raumgehalt des Schiffs 
zu ermitteln ®). Die Erbauer des Schiffes sind verpflichtet, der zuständigen 
1) M. u. Gew.O. $ 21. 
2) Bestimmungen über die Prüfungen der Reichsanstalt v. 31. März 1910 (Zen- 
tralbl. S. 101). 
3) RGBl. 1872 8. 270 ff. Dazu hat der Reichskanzler eine Instruktion v. 23. Nov. 
1872 erteilt, zu welcher einige Abänderungen und Ergänzungen hinzugekommen sind. 
Besondere Vorschriften hat der Bundesrat hinsichtlich der Vermessung der Schiffe für 
die Fahrt durch den Suezkanal amlö. April 1879 erlassen. (Zentralbl. f.d. 
D. R. S. 238 ff.) Sie sind ergänzt durch Beschl. v. 12. April 1908 (Zentralbl. S. 156). 
4) In einigen Punkten abgeändert durch Beschluss des Bundesrats v. 12. April 
1908 (RGBl. 8. 149). | 
5) Zustimmend Meyer-Dochow, Verwaltungsr. $ 105 Note 1 und die daselbst 
Yitierten. Für ganz ungültig halten die Schiffsverm.O. Hänel, Studien II S. 84 ff. 
u. Staatsrecht 18.281. ITensel in Hirths Annalen 1882 S. 36. Das Reichsger. Entsch. 
in Zivils. Bd. 7+ S. 134 erachtet die Sch.V.O. für rechtsgültig erlassen, „ohne die in der 
deutschen Staatsrechtswissenschaft erhobenen Bedenken zu verkennen“ (!?). 
6) Mit denjenigen Staaten, welche für die Schiffsvermessung ein Verfahren ein-
	        
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