Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

262 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. $ 29 
  
  
Reich hat keine Münzpräge-Anstalt errichtet oder die von den Einzelstaaten 
betriebenen in Reichsverwaltung übernommen, sondern es hat gesetzlich 
den Grundsatz anerkannt, dass die Reichsmünzen auf den Münzstätten 
der Bundesstaaten, welche sich dazu bereit erklären, ausgeprägt werden !). 
Der Privat-Industrie ist die Ausprägung von Münzen bei strenger Strafe 
untersagt ?). Eine Verpflichtung einzelner Staaten, Münzanstalten zu be- 
treiben und Reichsmünzen auf denselben anzufertigen, besteht nicht; die 
Errichtung von Münzstätten steht aber jedem deutschen Staate frei ®). 
Die Münzstätten müssen die Münzen genau nach den vom Reiche aufge- 
stellten Vorschriften ausprägen ; soweit diese Vorschriften nicht durch Reichs- 
gesetz erteilt sind, hat der Bundesrat dieselben zu erlassen *). Nicht nur das 
Gepräge, sondern auch das von den Münzstätten zu beobachtende Verfahren 
bei der Ausprägung und die Ausgabe der Münzen werden vom Bundesrat 
festgestellt und von seiten des Reiches beaufsichtigt °). Die Beaufsichtigung 
der Landes-Münzstätten erfolgt durch Kommissare, welche der Reichs- 
kanzler ernennt. Dieselben haben örtliche Revisionen der Münzstätten vor- 
zunehmen und dabei über die Befolgung der vom Bundesrat erlassenen 
Vorschriften und über das gesamte Verfahren bei der Ausprägung sich Kennt- 
nis zu verschaffen. Sie sind befugt, die Register und Journale, die im Be- 
triebe befindlichen Goldbestände und die neugeprägten Reichsmünzen zu 
untersuchen. Die Münzbeamten müssen sie bei den Revisionsgeschäften 
unterstützen. . 
Die Einzelstaaten prägen die Münzen auf Bestellung und auf Kosten 
des Reiches. Der Reichskanzler bestimmt unter Zustimmung des Bundes- 
rates, wie grosse Beträge in jeder einzelnen Münzsorte für Rechnung des 
Reiches ausgeprägt werden sollen, und wie diese Beträge auf die einzelnen 
Münzstätten verteilt werden ®). Die Münzmetalle werden vom Reich den ein- 
zelnen Münzstätten geliefert, die Leistung der letzteren beschränkt sich aus- 
schliesslich auf die Präge-Arbeit. Für dieselbe empfangen die Einzelstaaten, 
denen sämtliche Kosten der Münzpräge-Anstalt zur Last fallen, einen Präge- 
lohn, welcher vom Reichskanzler unter Zustimmung des Bundesrates gleich- 
mässig für sämtliche Münzstätten festgestellt wird ?). Die Bevorzugung 
einer Münzstätte vor einer andern ist unzulässig. 
Die Ausgabe von Scheidemünzen, mit Einschluss der Silber- 
münzen, ist ein Monopol des Reiches. Es ist dies die notwendige Folge der 
Unterwertigkeit der Scheidemünzen und der Verpflichtung des Reiches. 
1) Ges. v. 4. Dez. 1871 $6 Abs. 1. Münzges. $ 7 Abs. 1. — 2) Strafgesetzb. $ 146. 
3) Münzstätten bestehen in Preussen (3), Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, 
lITessen und lHanıburg. 
4) Münzges. $ 4. Das Gepräge ist das. 88 5 u. 6 bestimmt. Der Bundesrat ist er- 
mächtigt ‚die sonstige Verzierung‘, den Durchmesser der Münzen und die Beschaf- 
fenheit der Ränder festzustellen; auch darf er Stücke zu 5, 3 und 2 M. als Denkmünzen 
in anderer Prägung herstellen lassen. 
5) Münzges. $ 7 Abs. 1. Beschl. des Bundesrats v. 7. Dez. 1871 u. 8. Juli 1873. 
6) Münzges. $ 7 Abs. 3. 
7) Die Prägegebühr ist für die einzelnen Münzsorten nach Verhältnis der zur 
Ausprägung erforderlichen Arbeitsleistung abgestuft. Vgl. die näheren Angaben in 
meinem Staatsrecht d. D. R. Bd. IIL 8. 173.
	        
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