264 Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. 8 29
treffen auch in der Tat nicht bloss das Papiergeld, sondern such die Emission
von Schuldscheinen.
Das Reich hat den Einzelstaaten die Ausgabe von Papiergeldunter-
sagt und ihnen die Verpflichtung auferlegt, das von ihnen ausgegebene
Papiergeld bis zum 1. Jan. 1876 einzuziehen !). Durch diese Bestimmung ist
es zunächst zweifellos, dass wirkliches Papiergeld im Rechtssinne seit dem
1. Jan. 1876 im Deutschen Reiche nicht mehr existiert und von den Einzel-
staaten nicht mehr ausgegeben werden kann. Die Motive des Gesetzes,
die Verhandlungen des Reichstages, das gesamte Auslegungsmaterial und die
tatsächlich ausnahmslos und übereinstimmend befolgte Praxis weisen aber
darauf hin, dass das Gesetz in dem Sinne zu verstehen ist, dass die Einzel-
staaten auch Geldsurrogsate nicht ferner verausgaben dürfen, resp. sie ein-
lösen müssen. Insbesondere wurde schon durch das Ges. vom 27. März
1870 (RGBl. S. 15) bestimmt, dass die Befugnis zur Ausgabe von Bank-
noten nur durch ein Reichsgesetz erworben, erweitert oder verlängert werden
kann.
Das Reich selbst hat Reichskassenscheine ausgegeben ?),
welche im juristischen Sinne kein Papiergeld, sondern auf den Inhaber lau-
tende Schuldscheine des Reiches sind. Denn im Privatverkehr findet ein
Zwang zu ihrer Annahme als Zahlungsmittel nicht statt und von der Reichs-
Hauptkasse werden sie für Rechnung des Reiches jederzeit auf Erfordern
gegen bares Geld eingelöst ?). Die Ausfertigung derselben ist der ‚.Reichs-
schulden-Verwaltung‘‘ übertragen, über deren Tätigkeit die Reichsschulden-
Kommission die Aufsicht führt ®).
Dagegen sind durch das Bankgesetz v. 1. Juni 1909 Art. 3 die Noten
der Reichsbank zum gesetzlichen Zahlurgsmittel erklärt, ihnen also der
sogen. Zwangskurs d. h. Gelde'genschaft beigelegt worden >).
IV. Das Bankwesen®). 1. Die Reichsbank. Auf Grund
1) Ges. v. 16. Juni 1870 (BGBl. S. 507). Münzges. von 1873 Art. 18. Reichsges.
v. 30. April 1874 $ 2 und $ 8 (RGBl. S. 40).
2) Dieselben sind an die einzelnen Bundesstaaten nach Massgabe der Bevölkerung
verteilt worden; an diejenigen, welche Papiergeld (oder Geldpapiere) in Umlauf gesetzt
hatien, mit der Verpflichtung, die Reichskassenscheine zur Einziehung des Staats-
papiergeldes zu verwenden.
3) Ges. v. 30. April 1874 $ 5 (RGBl. S. 40) abgeändert durch Ges. v. 5. Juni 1906
(RGBi. S. 730). — 4) Ebendas. $$ 6 u. 7.
5) Trotzdem sind die Reichsbanknoten kein wirkliches Papiergeld im strengen Sinn
des Wortes, sondern Schuldurkunden der Reichsbank; denn dieselbe ist verpflichtet,
sie gegen „deutsche Goldmünzen einzulösen‘. Bankges. $ 18 in der Fassung des Ges.
v. 1. Juni 1909; der Text der Reichsbanknoten enthält diese Verpflichtung; sie sind
Geldsurrogate.
6) Bankgesetz v. 14. März 1375 (RGBl. S. 177) und Statut der Reichsbank v.
21. Mai 1875 (RGBI. S. 203). Reichsges v. 18. Dez. 1889 (RGBI. S. 201) und v. 7. Juni
1899 (RGBl. S. 311) betreffend die Abänderung des Bankgesetzes. Verord. v. 3. Sept.
1900 (RGBl. S. 793) betreffend Abänderung des Statuts der Reichsbank. RG. v. 20. Febr.
1906 (RGBl. S. 318) betreffend dıe Ausgabe von Banknoten zu 50 u. 20 Mk. RG. v.
l. Juni 1909 (RGBl. S. 515) betreffend Aenderung des Bankgesetzes. Die Art. 3—6
traten am 1. Januar 1910, die übrigen am 1. Januar 1911 in Kraft. Literatur:
Soetbeer, Deutsche Bankverfassung. Erl. 1375. Lotz, Gesch. u. Kritik d. d.
Bankgesetzes. Leipz. 1883. Wagner in Schönberg Handb. der pol. Oekonom.
(2. Aufl. IS. 475 ff... R. Koch in Stengels Wörterb. des deutschen Verwaltungsr.
IIS. 169 ff. v. Philippovich, Die deutsche Reichsbank im Dienste der Finanz-
verwaltung des Reichs. In Schanz’s Finanzarchiv Bd. III S. 108fg. G. Meyer-