$ 31 Die Gewerbepolizei. I. Zuständigkeit des Reiches und der Einzelstaaten. 279
denjenigen Beschränkungen des Gewerbebetriebes, welche auf den Zoll-,
Steuer- und Postgesetzen beruhen. Endlich hat die GO. $ 6 eine Reihe von
Gewerben aufgeführt, auf welche sie keine Anwendung findet !). Die GO.
bedarf aber der Ergänzung auch in Betreff derjenigen Gewerbe, auf wel-
che sich ihre Geltung erstreckt. In dieser Hinsicht gelten folgende Grund-
sätze:
1. Die GO. verweist an zahlreichen Stellen auf die Autonomie der Ein-
zelstaaten, teils indem sie dieselben ermächtigt, Beschränkungen einzuführen
oder Mass und Art derselben zu bestimmen, teils indem sie den Erlass der
zur Durchführung der reichsgesetzlichen Bestimmungen erforderlichen Anord-
nungen den Einzelstaaten überträgt. In der Regel bestimmt die GO. zugleich,
von welchem Organ der Einzelstaaten diese Anordnungen zu erlassen sind
(Zentralbehörden, höhere Verwaltungsbehörden, Ortspolizeibehörden, Ge-
meindebehörden). Welche Behörden in den einzelnen Staaten unter diese Be-
zeichnungen fallen, bestimmt sich nach der Behördenorganisation. Auch wo
die „Landesregierungen“ für zuständig erklärt sind, ist es nach der Kompe-
tenzverteilung innerhalb der Einzelstaaten zu entscheiden, welche Behörde
als das Organ der Landesregierung die fragl. Anordnungen zu erlassen hat.
Dagegen können die Einzelstaaten, soweit ihre Regierungen zum Erlass sol-
cher Anordnungen reichsgesetzlich verpflichtet sind, denselben nicht von der
Zustimmung der Volksvertretungen, also von der Beobachtung der Gesetzes-
form, abhängig machen. Wo die GO. aber den Erlass von Vorschriften durch
die ‚„Landesgesetzgebung‘‘ oder eine ‚landesgesetzliche‘‘ Regelung vorbe-
hält, ist zufolge GO. $ 155 Abs. 1 auch eine Regelung im Wege der Rechts-
verordnung zulässig, wofern dies nach dem Verfassungsrecht des Einzelstaates
gestattet ist.
2. Die Einzelstaaten sind befugt, alle diejenigen Verwaltungs-
verordnungen (Dienstbefehle, Instruktionen, Reglements usw.) zu
erlassen, durch welche die Tätigkeit ihrer Behörden behufs der ihnen obliegen-
den Durchführung der GO. geregelt wird. Zum Erlass von Rechtsverord-
nungen ohne besondere reichsgesetzliche Ermächtigung sind die Einzelstaaten
auf dem Gebiete der Gewerbepolizei nicht imstande.
3. Auch Verwaltungsverordnungen können die Einzelstaaten nicht er-
lassen, insoweit der Bundesrat kraft der ihm nach Art. 7 Ziff. 2 der RV.
von Kalisalzen v. 25. Mai 1910 (RGBi. S. 775 ff.) nebst den Ausführungsbestimmungen
des Bundesrats v. 9. Juli 1910 (RGBl. S. 925) — vgl. darüber Thoma im Jahr).
des öffentl. R. 1911 S. 387 ff. —, das Ges. v.16. Januar 1909 (RGBl. S. 270) über den
Handel mit südwestafrikanischen Diamanten können hier Erwähnung finden.
1) Den Begriff des Gewerbes hat die Gewerbeordn. nicht bestimmt; er ist aus den
zahlreichen Gewerben, welche sie erwähnt, durch Induktion zu gewinnen; jedenfalls
muss er soweit gefasst werden, dass er auch sämtliche in $ 8 erwähnten Gewerbtätig-
keiten mit einschliesst. Die richtige Definition des Gewerbes ist in der Literatur be-
stritten; zweifellos ist es aber, dass die Gewerbeordn. nur auf Privatunterneh-
mungen Anwendung findet, dagegen nicht auf die gewerbsmässig betriebenen Un-
ternehınungen des Reichs, der Bundesstaaten und Gemeinden. Ausgenommen sind
jedoch die Vorschriften über genehmigungspflichtige Anlagen $ 16ff. und die Vor-
schriften des VII. Titels (Arbeiterschutz). Der Gewerbeordn. sind durch besondere
reichsgesetzl. Vorschriften ausdrücklich unterstellt die Schiffsmannschaft der Binnen-
schiffe (Binnenschiffahrtsgesetz $ 21 Abs. 2) u. die Flossmannschaft (Flössereiges. $ 17
Abs. 2).