Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 31 Die Gewerbepolizei. IV. Der Arbeiterschutz. 287 
  
behörde eine Arbeitskarte eingehändigt ist. Uebertretungen dieser Vorschrif- 
ten sind mit hohen Strafen bedroht }). 
6. Arbeiterinnen, auch grossjährige, dürfen in einzelnen Be- 
triebszweigen sowie in der Nachtzeit überhaupt nicht, im übrigen nicht 
länger als 10 Stunden und an den Tagen vor den Sonn- und Festtagen nicht 
länger als 8 Stunden beschäftigt werden, unter Gewährung einer mindestens 
einstündigen Mittagspause und einer ununterbrochenen Ruhezeit von min- 
dlestens 11 Stunden ?). 
7. Der Arbeitslohn ist in Reichswährung zu berechnen und bar 
auszuzahlen. Verträge, welche dieser Vorschrift zuwiderlaufen, sind nichtig. 
Die Auszahlung darf ohne obrigkeitliche Erlaubnis nicht in Gast- und Schank- 
wirtschaften oder Verkaufsstellen erfolgen. Die Gewerbetreibenden dürfen 
den Arbeitern keine Waren kreditieren. Lohneinbehaltungen zur Sicherung 
eines Schadensersatzes oder einer Konventionalstrafe wegen Kontraktbruchs 
des Arbeiters dürfen bei den einzelnen Lohnzahlungen ein Viertel des fäl- 
ligen Lohnes, im Gesamtbetrage den Betrag eines durchschnittlichen Wochen- 
lohnes nicht übersteigen ($ 115—119 a). Der Bundesrat kann für bestimmte 
Gewerbe Lohnbücher oder Arbeitszettel vorschreiben, in welche Art und Um- 
fang der übertragenen Arbeit, die Lohnsätze und die Bedingungen für die 
Lieferung von Werkzeugen und Stoffen zu den übertragenen Arbeiten einzu- 
tragen sind ($ 114 a) °). 
8. Arbeiter können beim Abgange ein Zeugnis über die Art und 
Dauer ihrer Beschäftigung fordern, welches auf Verlangen des Arbeiters auch 
auf seine Führung auszudehnen ist. Die Ortspolizeibehörde hat das Zeugnis 
auf Antrag des Arbeiters kosten- und stempelfrei zu beglaubigen. Die Arbeit- 
geber dürfen die Zeugnisse nicht mit Merkmalen versehen, welche den Zweck 
haben, den Arbeiter in einer aus dem Wortlaut des Zeugnisses nicht ersicht- 
lichen Art zu kennzeichnen !?). 
9. Gewerbeunternehmer sind verpflichtet, diejenigen Einrich- 
1) RG. v. 30. März 1903 (RGBl. S. 113). Kinderschutzgesetz. Ausgaben des Ge- 
setzes mit ErläuterungenvonRohmer, Spangenberg, Zwieck,Hoffmann. 
Durch die Novelle v. 28. Dez. 1908 ist das Gesetz schon wieder sehr erheblich abgeändert 
worden. Bemerkenswert ist in formeller Hinsicht folgendes: Der Abschnitt IV des 
VII. Titels der GO. hatte die Ueberschrift ‚Verhältnisse der Fabrikarbeiter‘‘ und in 
zahlreichen Anordnungen dieses Abschnittes fanden sich das Wort „Fabrik“ und mit 
diesem Worte zusamımengesetzte Worte. Es war aber nicht gesagt, was unter einer 
„Fabrik“ zu verstehen sei und hieraus ergaben sich Zweifel und Meinungsverschieden- 
heiten. Die Novelle hat nun das Wort Fabrik und alle damit zusammmengesetzten Worte 
aus dem ganzen Abschnitt beseitigt und die Anordnungen in zwei Gruppen geteilt, 
von denen die eine auf Betriebe, in denen in der Regel mindestens zehn Arbeiter be- 
schäftigt werden, die andere auf Betriebe, in denen in der Regel mindestens zwanzig 
Arbeiter beschäftigt werden, Anwendung findet. 
2) GewO. $ 137 in der Fassung der Nov. v. 28. Dez. 1908. Besondere Bestimmungen 
sind daselbst gegeben für Arbeiterinnen, welche ein Hauswesen zu besorgen haben und 
für die Zeit vor und nach ihrer Niederkunft. Vgl. auch $$ 1385 a u. 139 a in der Fas- 
sung der Novelle, und das internationale Abkommen v. 26. Sept. 1906 (RGBl. 1911 
S. 5) über das Verbot der Nachtarbeit der gewerblichen Arbeiterinnen. 
3) Nähere Anordnungen darüber enthält die Novelle v. 27. Dez. 1911 (RGBl. 1912 
S. 139). 
4) GO. $ 113. Die Beifügung eines solchen Merkmals ist nach $ 146 Abs. 1 Ziff. 3 
strafbar. 1st der Arbeiter minderjährig, so kann der gesetzliche Vertreter desselben 
verlangen, dass das Zeugnis ihm, statt dem Minderjährigen ausgehändigt wird.
	        
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