$ 32 Die Seeschiffahrt und die Weasserstrassen. 289
prüfung ablegen wollen, mindestens 3 Jahre als Geselle tätig gewesen, oder
welche zur Anleitung von Lehrlingen in diesem Gewerbe befugt sind.
13. Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen über die
Sonntagsruhe ($ 105 a bis 105 h), über die Einrichtung der Arbeitsräume, Be-
triebsvorrichtungen, Maschinen, Betriebsstätten usw. ($ 120a bis 120e)
und über den Fabrikbetrieb ($ 134 bis $ 139 a) ist entweder ausschliesslich
oder neben den ordentlichen Polizeibehörden besonderen Beamten
(Gewerbeinspektoren) zu übertragen. Sie sind von den Landesre-
gierungen zu ernennen und haben bei Ausübung dieser Aufsicht alle Befug-
nisse der Ortspolizeibehörden, insbesondere zur jederzeitigen Revision der
Anlagen !). Zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sind sie verpflichtet.
Sie haben Jahresberichte über die amtliche Tätigkeit zu erstatten; diese Be-
richte oder Auszüge aus denselben sind dem Bundesrat und dem Reichstag
vorzulegen. Die Arbeitgeber müssen die Revisionen zu jeder Zeit während
des Betriebes, auch nachts, gestatten und den genannten Beamten die vom
Bundesrat oder der Landeszentralbehörde vorgeschriebenen statistischen
Mitteilungen machen ($ 139 b).
$ 32. Die Seeschiffahrt und die Wasserstrassen 2). I. Art. 54 Abs. I
der RV. stellt den Grundsatz auf: ‚Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten
bilden eine einheitliche Handelsmarine“. Das Wort ‚‚einheitlich‘‘ wird hier
in einem völlig anderen Sinne verwendet wie in Art. 53 von der Kriegsmarine,
oder im Art. 48 von der Post und Telegraphie, oder im Art. 42 vom Eisen-
bahnnetz, oder im Art. 63 vom Heer. Die Handelsmarine ist keine Anstalt
des Reichs oder der Einzelstaaten ?); eine staatliche Verwaltung der Handels-
marine gibt es nicht, also kann es auch keine zentralisierte Reichsverwaltung
derselben geben. Da alle zur Handelsmarine gehörenden Fahrzeuge im Pri-
vateigentum stehen und zum privaten Gewerbebetrieb benutzt werden, so
werden sie auch von den einzelnen Eigentümern verwaltet, welche hierbei
den allgemeinen gewerbepolizeilichen und den besonderen für das Seeschift-
fahrtsgewerbe erlassenen Vorschriften unterworfen sind. Aber selbst wenn
man die Durchführung dieser Vorschriften und die Kontrolle ihrer Befolgung
als „Verwaltung der Handelsmarine‘‘ bezeichnen dürfte, so gäbe es auch in
diesem Sinne keine ‚einheitliche‘‘ Verwaltung seitens des Reichs. Diese
Tätigkeit liegt: vielmehr den Einzelstaaten in demselben Umfange wie die
Verwaltung der Gewerbepolizei überhaupt ob und das Reich ist auch auf
diesem Gebiete auf die Gesetzgebung und Aufsicht beschränkt. Ausgenom-
men sind zwei vereinzelte Fälle einer weiterreichenden Kompetenz des
1) Die Ordnung der Zuständigkeitsverhältnisse zwischen diesen Gewerbe-Inspek-
toren und den ordentlichen Polizeibehörden ist den Einzelstaaten überlassen.
2) Literatur. Reitzin Hirths Annalen 1874 S. 55 ff. Perels, Handbuch
des allgemeinen öffentlichen Seerechts im Deutschen Reich. Berlin 1884. Wagner,
Handb. des Seerechts. Leipzig 1884 S. 94 ff. G. Meyer-Dochow, Verwaltungstr.
$s 100ff. Zorn Staatsr. II S. 533 fg. Hänel, Staatsr. I S. 628 fg. Lewis im
Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts. Art. „Flagge“. Bd.I S.421ff. Schaps
Arch. f. öffentl. Recht Bd. 14 S. 525 ff. Apt im Wörterb. des Verw. R. von Stengel-
Fleischmann Bd. I S. 809 ff.
3) Hänel, S. 630 sagt allerdings, dass durch die Seemannsordnung v. 27. Dez.
1872 „die Seeschiffahrt zu einer öffentlich regulierten Beförderungsanstalt
erhoben worden sei‘. Es ist dies aber wohl nur eine bombastische Redewendung.
Laband, Reichsstaatsrecht. 6. Aufl. 19