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Siebenter Abschnitt: Die einzelnen Zweige der Verwaltung. $ 33
sind, von welchen die Gebiete mehrerer Bundesstaaten betroffen werden,
so hat der Reichskanzler oder ein von ihm ernannter Kommissar für die
Einheit in den Anordnungen der Landesbehörden zu sorgen und er kann in
dringenden Fällen die Landesbehörden unmittelbar mit Anweisungen ver-
sehen. Bei dem Gesundheitsamt des Reichs wird ein Reichsgesund-
heitsrat gebildet, der das Amt bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu un-
terstüfzen hat ($ 43).
4.Das Reichsgesetz vom 14. Mai 1879, betreffend den Ver-
kehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Ge-
brauchsgegenständen (RGBl. S. 145) enthält im wesentlichen
Vorschriften, welche den Schutz der menschlichen Gesundheit bezwecken.
Es unterwirft einer polizeilichen Beaufsichtigung den Verkehr mit Nahrungs-
und Genussmitteln sowie mit Spielwaren, Tapeten, Farben, Ess-, Trink- und
Kochgeschirr und mit Petroleum und stattet die Polizeibehörden zu diesem
Zwecke mit weitreichenden Befugnissen aus. Das Gesetz enthält ferner Er-
mächtigungen zum Erlass kaiserlicher Verordnungen ‚zum Schutze der Ge-
sundheit‘“ ($ 5, 6)!). Ferner hat das Reichsgesetz vom 3. Juni
1900 (RGBl. S. 547) eine amtliche Untersuchung des Fleisches essbarer
Tiere vor und nach der Schlachtung angeordnet, soweit nicht das Fleisch
ausschliesslich im eigenen Haushalt des Besitzers verwendet werden soll ?).
II. Die Veterinärpolizei?°). Die vom Reich erlassenen Vor-
schriften sind in folgenden Gesetzen enthalten:
1. Das Reichsgesetz vom 23. Juni 1880 (RGBl. S. 153) über die Ab-
wehr und Unterdrückung von Viehseuchen mit Aus-
schluss der Rinderpest, an dessen Stelle jetzt das Viehseuchengesetz
v. 26. Juni 1909 (RGBl. S. 519) getreten ist *). Es enthält eingehende Vor-
schriften über die von den Landesregierungen zu treffenden Massregeln behufs
Abwehr der Einschleppung aus dem Auslande, behufs Unterdrückung der Vieh-
seuchen im Inlande, behufs des Schutzes gegen Seuchengefahr und über die
veterinärpolizeiliche Kontrolle der Schlachtviehhöfe und öffentlichen Schlacht-
häuser. Das Gesetz schreibt ferner vor, dass für die auf polizeiliche Anord-
nung getöteten oder nach Erlass dieser Anordnung an der Seuche gefallenen
Tiere, vorbehaltlich der im Reichsgesetz selbst bezeichneten Ausnahmen, eine
Entschädigung gezahlt werden muss (Ges. $ 66). Die Bestimmungen darüber,
von wem die Entschädigung zu gewähren, wie dieselbe aufzubringen ist und
1) Auf Grund dieser Ermächtigung sind mehrere Verordnungen erlassen worden ;
meistens ist aber an Stelle der Verordnungsform die Form des Reichsgesetzes gewählt
worden.
2) Sehr umfangreiche Ausführungsbestimmungen zu «diesen. Gesetz hat der Bun-
desrat am 30. Mai 1902 erlassen. Beilage zu Nr. 22 des Zentralbl. d. D. Reichs. Ab-
änderungen v. 4. Juli 1908 (RGBl. S. 470 u. 471).
3) Göring inHirths Annalen 1881 S. 809 ff.; Jolly in Schönbergs Handbuch
Bd.38.959 ff.;Dammann in v. Stengels Wörterbuch Bd. 2 8. 803 ff., 309 ff. Hall-
bauer, Die Viehseuchengesetzgebung, Leipz. 1396; Reuter, Die deutsche Vieh-
seuchengesetzgebung, München 1896. Hofmann u. Beisswänger, Die Vieh-
seuchengesetze, Stuttg. 1897. Stenglein, Strafrechtl. Nebengesetze S. 266 ff. G.
Meyer-Dochow $ 8.
4) Umfangreiche Ausführungsvorschriften zum Viehseuchenges. v. 25. Dez. 1911
(RGBl. 1912 S. 3—138).