Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 34 Die Arbeiterversorgung. II. Allgemeine Gesichtspunkte. 301 
  
  
  
II. Allgemeine Gesichtspunkte. 1. Die juristische 
Natur. Die Reichsgesetzgebung hat dafür gesorgt, dass Personen, welche 
gegen Gehalt oder Lohn arbeiten, falls sie von einer Krankheit oder einem 
Betriebsunfall betroffen oder durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig 
werden, sowie ihre Hinterbliebenen vor Not gesichert seien. Wegen dieser 
durch die Reichsgesetze bezweckten Sicherung vor wirtschaftlichen Uebeln 
nennt man diese Einrichtungen ‚‚Arbeiterversicherung‘‘. Diese Bezeichnung 
darf aber nicht zur Annahme verleiten, dass die in Rede stehenden Rechts- 
verhältnisse sich dm Rechtsbegriff der Assekuranz unterordnen 
lassen, von welchem sie vielmehr spezifisch verschieden sind. Es handelt 
sich hier nicht um Leistung und Gegenleistung wie bei den Obligationen des 
Privatrechts, sondern um ein publizistisches Verhältnis. Der Staat hat 
die Fürsorge für die Arbeiter zu seiner Aufgabe gemacht; die Träger der 
Fürsorgepflicht erfüllen eine ihnen vom Staat auferlegte Pflicht, indem sie 
die Unterstützungen gewähren; der Versorgungsanspruch des Arbeiters ist 
nicht ein privatrechtlich erworbener, sondern ein ihm vom Staat ver- 
liehener. Die sozialistische Staatsidee, nach welcher der Staat seinen 
Angehörigen nicht nur Rechtsschutz, sondern auch den Lebensunterhalt zu 
gewähren habe, hat in den Arbeiterversicherungsgesetzen eine teilweise Ver- 
wirklichung gefunden. Andererseits muss der Staat die zur Erfüllung dieser 
Aufgabe erforderlichen Geldmittel den Trägern der Arbeiterversicherung 
bereitstellen. Im wesentlichen geschieht dies durch Beiträge der an der 
Arbeiterversorgung Interessierten; sie erfüllen durch Zahlung der Beiträge 
eine ihnen vom Staate auferlegte öffentlich-rechtliche Last. Dem- 
gemäss ist der Anspruch der Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, An- 
stalten auf die Beiträge ein vom Staat verliehenes einseitiges Recht, 
wie die korrespondierende Pflicht zur Zahlung der Unterstützungen eine 
einseitige, aus dem Gesetz hervorgehende ist. Der Versorgungs- 
berechtigte und der Zahlungspflichtige können verschiedene Personen sein 
und sind es in der Tat in zahlreichen Fällen. Der Arbeitgeber, der Betriebs- 
unternehmer sind nicht dem Arbeiter, sondern der Krankenkasse, Berufs- 
genossenschaft und Versicherungsanstalt obligiert, und nicht ihnen erwächst 
ein Forderungsrecht auf Unterstützung des Arbeiters, sondern der Arbeiter 
selbst ist das unmittelbar berechtigte Subjekt des Unterstützungsanspruchs. 
Der Anspruch auf Versorgung ist ferner (mit Ausnahme der Invaliden- und 
Hinterbliebenenversorgung) nicht dadurch bedingt, dass die Beiträge wirklich 
eingezahlt worden sind; er ist in der Regel von einem in der Person des 
Versorgungsberechtigten verwirklichten Tatbestand abhängig. Auch in den 
Fällen, in welchen der Versorgungsberechtigte zugleich beitragspflichtig ist, 
erscheinen diese Ansprüche und Verpflichtungen nicht als die beiden Glieder 
eines zweiseitigen Rechtsverhältnisses, sondern als die gesetzlichen Rechts- 
folgen von zwei verschiedenen Tatbeständen, welche unabhängig von ein- 
ander sich verwirklichen. Nur an Einem Punkte besteht zwischen ihnen 
Auch der Tag, mit welchem das Ges. über die Vers. der Angestellten in Kraft treten wird, 
ist durch kaiserl. V. mit Zustimmung des Bundesrats festzusetzen. Ges. $ 399.
	        
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