Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

s 34 Die Arbeiterversorgung. IV. Die Unfallversicherung. 315 
zu erfüllen haben, aber nicht als vertragsmässig übernommenrer, sondern 
als kraft einer öffentlich-rechtlichen Befugnis auferlegter Dienstpflichten. 
Die Rechtsfolgen ihrer Verletzung sind daher alsein Analogon zu den Dis- 
ziplinarstrafen anzusehen. Das Reich hat die Genossenschaften mit einer 
zur Durchführung dieser Aufgabe erforderlichen Disziplinargewalt gegen die 
Versicherten ausgestattet !). Auf Grund dieser Ermächtigung können die Ge- 
nossenschaften Zuwiderhandlungen gegen die von ihnen erlassenen Vorschrif- 
ten mit Geldstrafen bis zu 6 Mk. bedrohen ($ 851). Die Geldstrafen fliessen in 
diejenige Krankenkasse, welcher der zu ihrer Zahlung Verpflichtete zur Zeit 
der Zuwiderhandlung angehört ($ 914) und werden durch das Versicherungs- 
amt festgesetzt. Die Beschwerde geht an das OVA. (Beschlusskammer $ 870). 
Die Genossenschaften sind endlich befugt, durch Beauftragte die Betriebe 
der Mitglieder zu überwachen. Die Betriebsunternehmer müssen den Beauf- 
tragten den Zutritt zu ihren Betriebsstätten gestatten und die Bücher und 
Listen zur Einsicht vorlegen. Die Beauftragten sind zur Wahrung der Fa- 
brikgeheimnisse verpflichtet. Ausführliche Vorschriften über die Ueber- 
wachung gibt jetzt die RVO. $$ 874-889. 
9. Mit Genehmigung des Bundesrats dürfen die Berufsgenossenschaften 
Einrichtungen treffen zur Versicherung der Betriebsunternehmer gegen Haft- 
pflicht und zur Errichtung von Renten- und Pensionskassen für Betriebs- 
beamte, Mitglieder der Genossenschaft, die bei ihr versicherten Personen 
und Beamten der Genossenschaft, sowie für die Angehörigen dieser Personen. 
Mit Genehmigung des RVA. können sie auch Einrichtungen treffen für die 
Beschaffung von Arbeitsgelegenheit für Unfallverletzte. Die Teilnahme an 
diesen Einrichtungen ist freiwillig ($ 843 ff.). 
B. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung. 
1. Versicherungspflichtig sind die landwirtschaftlichen Be- 
triebe; welche als solche gelten, hat das RVA. zu bestimmen; jedoch hat die 
RVO. in den $$ 916 ff. Bestimmungen getroffen teils über gewisse Betriebe, 
welche als landw. gelten, teils über Betriebe, welche nicht als solche gelten. 
Gegen Betriebsunfälle sind versichert Arbeiter?) und diejenigen Betriebsbe- 
amten, deren Jahresverdienst nicht 5000 Mk. an Entgelt übersteigt. Dax 
Gesetz unterscheidet gewöhnliche landw. Arbeiter und Facharbeiter, die 
besonderer fachlicher Fertigkeiten bedürfen ($ 923). Die Satzung kann die 
Versicherungspflicht erstrecken auf Unternehmer, deren Jahresarbeitsver- 
dienst nicht 3000 Mk. übersteigt oder die regelmässig höchstens zwei Ver- 
sicherungspflichtige gegen Entgelt beschäftigen, und auf Betriebsbeamte mit 
mehr als 5000 Mk. Jahresarbeitsverdienst ($ 926). 
2. Versicherungsberechtigt sind Unternehmer der im $ 926 
bezeichneten Art und deren in ihren Betrieben beschäftigten Ehegatten und 
Familienangehörige. Die in den $$ 552—554 für die gewerbl. Unfallv. ge- 
gebenen Vorschriften finden Anwendung. 
3. Für die zu leistende Entschädigung gelten im allgemeinen die 
1) Vgl. Rosin $S. 102 und S. 807 Anım. 12a. Zahn in der Zeitschrift „Arbeiter- 
versorgung“* 1907 S. 213 ff. — 2) Vgl. oben S. 310 Anm. 1.
	        
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