96 Zweiter Abschnitt: Das rechtliche Verhältnis d. Reiches zu den Gliedstaaten. $ 4
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stellungen des Herrschens, der rechtlichen Macht, der Untertanen, des Ge-
biets usw. finden in der Vorstellung der Person ihre logische Einheit !). Für
den Bundesstaat aber hat der Satz, dass er eine juristische Person sei, welche
von den Gliedstaaten gebildet wird, eine doppelte Bedeutung. Es besagt einer-
seits, dass der Bundesstaat ein Rechtssubjekt ist und setzt ihn dadurch in
Gegensatz zu den sozietätsartigen Staatsverbänden; und er besagt anderer-
seits, dass die Gliedstaaten als öffentlichrechtliche Personon fortbestehen, dass
sie in der höheren Einheit nicht verschwinden, dass’ trotz der einheitlichen
Rechtspersönlichkeit des Ganzen auch die Glieder, jedes für sich, für ihre
Sphäre die Eigenschaft des Rechtssubjekts haben ?). In diesem Sinne dient
es zur Charakterisierung des Deutschen Reiches, wenn von ihm ausgesagt
wird, dass es eine juristische Person nicht von stets sich vermehrenden Millio-
nen Mitgliedern, sondern von 25 Mitgliedern sei.
Diese Mitglieder in ihrer Gesamtheit sind dio Träger der Staatspersönlich-
keit des Reiches; sie sind an der Reichsgewalt mitbeteiligt, wie in der Demo-
kratie die vollberechtigten Staatsbürger an der Staatsgewalt.. Mit Ausnahme
der freien Städte sind alle Deutschen Staaten Monarchien; die Landesherren
sind daher die allein berechtigten Träger der Einzelstaatsgewalt und als solche
üben sie auch die Mitgliedschaftsrechte im Deutschen Reiche, den Anteil
ihrer Staaten an der Reichsgewalt aus. In den freien Städten sind die Bürger-
1) Die Charakterisierung des Staates als Person ist Gegenstand einer grossen
wissenschaftlichen Kontroverse, welche in der Darstellung eines konkreten positiven
Rechts nicht mit der erforderlichen Ausführlichkeit erörtert werden kann. Einerseits
wird von der sog. empirischen (materialistischen) Schule der ganze Begriff der juristi-
schen Person verworfen und dieselbe als eine Fiktion, als ein rechtswissenschaftlicher
Rechenpfennig, als eine logische Krücke u. dgl. bezeichnet, weil ihr die reale (physische)
Existenz fehle, die nur den einzelnen Menschen zukonıme. Dieser Einwand kann gegen
alle Rechtsbegriffe ohne Ausnahnie erhoben werden. Das Recht ist nur eine Welt
von Vorstellungen; einen Rechtsbegriff deshalb ablehnen, weil er der faktischen (physi-
schen) Existenz ermangelt, heisst das Recht überhaupt ablehnen. Auch die Persön-
lichkeit des Menschen ist nur eine Rechtsvorstellung; die Natur schafft Menschen aber
keine Personen d. h. Rechtssubjckte: es gibt keine natürlichen Personen, sondern nur
juristische. Andrerseits schreibt die sogen. organische Staatstheorie, deren Haupt-
vertreter Gierke und Preuss sind, „den Gesammtpersonen‘ (sozialen Verbänden,
Genossenschaften, Körperschaften, Gemeinden, Staaten) eine ebenso substanzielle
Existenz zu wie den einzelnen Menschen und eine Organisation, welche sie dem Organis-
mus im biologischen Sinne gegenüberstellen. Sie verwerfen daher die auf logischer Ab-
straktion beruhende Vorstellung eines durch die Gesamtheit gebildeten Rechtssubjekts,
welches von den einzelnen Individuen begrifflich verschieden ist, als individualistisch,
zivilistisch, romanistisch u. dgl. und bezeichnen sie als persona fiecta im Gegensatz zu der
zur Einheit zusammengeschlossenen Vielheit. Aber diese „Gesamtperson‘“ lebt und
webt nur im Reiche der Gedanken und ist lediglich eine Vorstellung; ist die juristische
Person als Rechtssubjekt eine persona ficta, so ist cs diese Gesamtperson erst recht.
\Venn man den Begriff des Organismus über das Einzelwesen hinaus auf Gesamtheiten
von solchen ausdehnt, so verändert er seine Bedeutung und verflacht sich zu einem
biologischen Bilde. Eine vortreffliche Kritik dieser Lehre gibt Grasso, I Presupposti
giuridici del diritto costituzionale. Genova 1898. Siche darüber meine Besprechung
im Arch. f. öff. R. Bd. 14 S. 569 ff.
2) v.Martitz,a.a. 0. erhebt die Frage, ob sich die Begriffskategorie „Staat“
von einer Vielheit von Menschen auf eine Vielheit von Korporationen übertragen lasse,
nnd verneint dieselbe. Gewiss ist diese Frage, so gestellt, zu verneinen. Es können
nicht beliebige Korporationen sein: ein Staat kann nicht aus Aktienvereinen oder
Kirchen oder Illilfskassen gebildet werden. Die Korporationen müssen kongenialer
Art d.h.selbst Staaten sein, also Untertanen, Gebiet, Herrschaftsrechte, poli-
tische Aufgaben haben. Dann fehlt es auch dem über diesen Staaten stehenden Ober-
staat nicht an den, für den Staatsbegriff wesentlichen Merkmalen. 23
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