340 Achter Abschnitt: Das Gerichtswesen. $ 35
sulargerichtsbarkeit ist beschränkt auf die in den Konsulargerichtsbezirken
wohnenden oder sich aufhaltenden Reichsangehörigen und Schutzgenossen,
und erstreckt sich in sachlicher Beziehung auf die bürgerlichen Rechtsstreitig-
keiten, welche nach dem Gerichtsverf.Ges. und der Konkursordn. den Amts-
gerichten und Landgerichten zugewiesen sind, und auf alle Strafsachen, wel-
che zur Kompetenz der Schöffengerichte und Strafkammern gehören !). Ist
die strafbare Handlung ein zur Zuständigkeit des Reichsgerichts oder der
Schwurgerichte gehöriges Verbrechen, so hat der Konsul die zur Strafverfol-
gung erforderlichen Sicherheitsmassregeln zu treffen, sowie die Untersuchungs-
handlungen, in Ansehung deren Gefahr im Verzug obwaltet, vorzunehmen 2).
Die im Verwaltungsstreitverfahren zu treffenden Entscheidungen werden
für die Konsulargerichtsbezirke in erster und letzter Instanz vom Bundes-
rat erlassen ®). Ueber die Schutzgebietsgerichte siehe oben S.210. Im Falle
eines Krieges können durch Kaiserl. Verordn. Prisengerichte ge-
bildet werden, welche über die Rechtmässigkeit der gemachten Prisen ent-
scheiden ?). |
Ferner ist in anderen Angelegenheiten als in bürgerlichen Rechtsstreitig-
keiten und Strafsachen dem Reichsgericht eine Zuständigkeit zugewiesen in
Patentsachen 5), in gewissen Disziplinarsachen ®), in Grundbuchsachen und
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit über das Rechtsmittel der
weiteren Beschwerde, wenn das Oberlandesgericht bei der Auslegung einer
reichsgesetzlichen Vorschrift von der Entscheidung eines andern Oberlandes-
gerichts oder einer früher ergangenen Entscheidung des Reichsgerichts ab-
weichen will ?), sowie bei Verfassungsstreitigkeiten zwischen dem Hamburger
Senat und der Bürgerschaft ®).
6. Die Gerichtsbarkeit der Einzelstaaten. a) Die
ordentliche streitige Gerichtsbarkeit steht den Einzel-
staaten insoweit zu, als sie nicht nach den vorstehenden Ausführungen dem
Reiche übertragen ist. Sie üben diese Gerichtsbarkeit zwar kraft eigenen
Rechtes und im eigenen Namen aus, aber nicht isoliert, sondern als Glieder
einer höheren Einheit, und sie sind bei dieser Ausübung nicht souverän, son-
dern durch die vom Reiche ihnen erteilten Vorschriften gebunden. Es zeigt
sich dies zunächst an der staatsrechtlichen Rechtskraft d. h. an der Voll-
streckbarkeit der Urteile der Gerichte; dieselbe erstreckt sich auf das
deutsche Konsulargerichtsbarkeit aufgehoben worden durch V. v. 11. Juni 1907) RGBL
S. 367).
1) KonsulargerichtsbarkGes. $ 10.
2) Ebenda $ 55.
3) Konsulargerichtsbarkeitsges. $ 23 Abs. 2.
4) Reichsges. v. 3. Mai 1884 (RGBl. S. 49). Vgl. die V. v. 15. Febr. 1889 (RGBl.
S. 5. Ostafrikanische Blockade). In der II. Friedenskonferenz im Haag von 1907 wurde
eine Konvention über die Errichtung eines internationalen Prisengerichts ver-
einbart. Vgl. M. Huber im Jahrb. d. öff. R. 1908 S. 479 fg., Zorn in der Zeitschrift
f. Politik Bd. II (1909) S. 338 ff. und namentlich die Monographie von Pohl, Deutsche
Prisengerichtsbarkeit. Tübingen 191].
5) 8. oben 8. 275.
6) RG. v. 16. Juni 1879 $ 1. RechtsanwaltsOrdn. $ 90.
7) GrundbOrdn. $ 79. Ges. über die freiw. Gerichtsbark. $ 28. Siehe aber jetzt
das RG. v. 22. Mai 1910 (S. 338 Anmerk. +4).
8) RGBl. v. 14. März 1881 (RGBl. 8. 37).