Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

  
  
344 Achter Abschnitt: Das Gerichtswesen. 8 36 
Instanz vonden Zivilkammernder Landgerichte, oder im Falle 
des $ 101 des GVG. von den Kammern für Handelssachen, wo solche von 
der Landesjustizverwaltung gebildet worden sind; in zweiter Instanz von den 
Zivilsenatender Oberlandesgerichtein der Besetzung von 
fünf rechtsgelehrten Mitgliedern; in dritter Instanz von einem Zivilsenat 
des Reichsgerichts in der Besetzung von sieben rechtsgelehrten 
Mitgliedern. Jedoch ist durch das RG. v. 22. Mai 1910 (RGBl. S. 767) $ 546 
der Zivilpr.O. dahin abgeändert worden, dass die Revision in vermögensrecht- 
lichen Streitigkeiten nur stattfindet, wenn der Wert des Beschwerdegegen- 
standes 4000 Mark übersteigt. Die Strafsachen sind in Beziehung auf 
die Gerichtszuständigkeit in drei Klassen zu teilen, die im allgemeinen, wenn- 
gleich keineswegs vollkommen, den Uebertretungen, Vergehen und Ver- 
brechen entsprechen. Für die erste Klasse fungieren als Spruchbehörden 
erster Instanz die Schöffengerichte (ein Amtsrichter und zwei 
Laien) !); in zweiter Instanz die Strafkammern (fünf rechtsgelehrte 
Mitglieder); in dritter Instanz die Strafsenate der Oberlandesgerichte 
(fünf rechtsgelehrte Richter). Die zweite Klasse gehört in erster Instanz vor 
die Strafkammern (in der Hauptverhandlung in der Besetzung mit 
fünf Mitgliedern), in zweiter und letzter (Revisions-)Instanz vor die Straf- 
senate der Oberlandesgerichte (fünf Mitglieder) oder des Reichsgerichts 
(sieben Mitglieder). Für die dritte Klasse werden zur Aburteilung Sch wur- 
gerichte gebildet, welche aus einem Kollegium von drei berufsmässigen 
Richtern und einem Kollegium von zwölf Geschworenen bestehen; über das 
Rechtsmittel der Revision entscheiden die Strafsenate des Reichsgerichts ?). 
2. Die Organisation der Gerichte. Das GerichtsverfGes. 
$ 12 zählt vier Arten von ordentlichen Gerichten auf: Amtsgerichte, Landge- 
richte, Oberlandesgerichte und das Reichsgericht. Diese Gerichte als solche 
sind aber keine beschliessenden und erkennenden Organe der ordentlichen 
Rechtspflege, sie sind keine Gerichte im Sinne des Prozessrechts, sondern sie 
sind staatliche Behörden, bei welchen die Prozessgerichte gebildet werden 
oder aus deren Mitte die Prozessgerichte hervorgehen. Man könnte sie gleich- 
sam die Kadres nennen, innerhalb deren die erkennenden Gerichte zur Ent- 
stehung kommen. Die Amtsgerichte bilden den Rahmen für den Ein- 
zelrichter und die Schöffengerichte; ihre Organisation ist den Einzel- 
staaten völlig freigegeben. Die Landgerichte umfassen die Zivilkam- 
mern und Strafkammern, die Schwurgerichte und die Kammern für Handels- 
sachen. Die Einrichtung der Landgerichte und die Art und Weise, wie die 
Prozessgerichte bei ihnen gebildet werden, sind durch das GerichtsverfGes. 
$ 58ff. geregelt. Die Oberlandesgerichte haben eine einfachere 
Organisation, weil bei ihnen nur die regelmässigen Spruchkollegien, die ‚‚Zi- 
vil- und Strafsenate‘‘, gebildet werden. 
1) Durch das RG. v. 5. Juni 1905 (RGBl. 8. 533) ist die Zuständigkeit der Schöffen- 
zscrichte erheblich erweitert worden: sie umfaßt jetzt alle Uebertretungen, eine sehr 
grosse Zahl von Vergehen, und Beleidigungen, wenn die Verfolgung in Wege der Privat- 
klage geschieht. 
2) Mit der in Vorbereitung befindlichen Abänderung der Strafprozessordn. wird 
auch eine Timgestaltung der Strafgerichte verbunden sein.
	        
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