362 Neunter Abschnitt: Die bewaffnete Macht des Reiches. $ 40
temıb. Armeekorps vom Reiche festgestellt und die wirklich erfolgten Aus-
gaben vom Rechnungshofe des Reiches geprüft werden und da das württemb.
Kontingent auch im Frieden dem Oberbefehl des Kaisers unterworfen ist, so
ist die tatsächliche Möglichkeit, an den Ausgaben für das Kontingent Erspa-
rungen zu machen, eine sehr beschränkte.
Auch die Naturalleistungen für das Heer und die Marine im Krieg und
Frieden, sowie die Beschränkungen des Grundeigentums in den Umgebungen
der Festungen sind für das ganze Reich gleichmässig normiert.
V.DieMilitärhoheitsrechte der Einzelstaaten. Die
Bestimmungen der RV. beruhen in letzter Linie auf dem Art. 9 des preuss.
Entw. zur Bundesreform vom 10. Juni 1866, mit welchem sie zum Teil wört-
lich übereinstimmen. Den Ausgangspunkt bildet daher das Prinzip, dass
jeder Staat seine eigenen Truppen und die Militärhoheit hat, und dass die letz-
tere nur soweit beschränkt werden sollte, als es notwendig schien, um die Ein-
heitlichkeit des aus diesen Landestruppen zusammengesetzten Bundesheeres
zu sichern. Die RV. bezeichnet die Truppen der Bundesstaaten als die ‚„Kon-
tingente‘‘ des Reichsheeres (Art. 63, 64, 66). Dieser Ausdruck war bereits im
alten Deutschen Reich und im Deutschen Bunde üblich, um diejenige Masse
von militärischen Streitkräften zu bezeichnen, welche die Einzelstaaten zur
Zusammensetzung des Reichsheeres und Bundesheeres zu stellen ver-
pflichtet waren. Den Staaten stand es frei, eine viel grössere Armee zu
halten, und von dieser Befugnis machten die grösseren Staaten Gebrauch.
Da aber nach der RV. die Kosten und Lasten des gesamten Kriegs-
wesens von allen Bundesstaaten gleichmässig zu tragen sind, diegesamte
Landmacht des Reiches ein einheitliches Heer bilden soll und alle deutschen
Truppen verpflichtet sind, den Befehlen des Kaisers Folge zu leisten, so
ist nach der jetzigen RV. das Kontingent des Einzelstaates die Gesamt-
heitseinerTruppen. Die RV. sagt daher auch statt des preussischen
und bayerischen Kontingents ‚die Kgl. Preussische Armee‘ und das ‚baye-
rische Heer‘ und statt alle Kontingente ‚alle Truppenteile“. Demgemäss
bezeichnet die RV. mit dem Worte ‚„Kontingentsherren“ die Landesherren
und Senate der deutschen Bundesstaaten als die militärischen Dienstherren
ihrer Truppen, und ‚„Kontingentsherrlichkeit‘‘ ist nichts anderes als ein aus
der früheren deutschen Militärverfassung stammender Ausdruck für die lan-
desherrlichen Rechte in Militärsachen. Dieser Begriff würde keine Schwie-
rigkeiten bereiten, wenn jeder deutsche Staat seine Truppen lediglich aus
seinen Angehörigen bilden und in seinem Gebiet in Garnison haben
würde. Dies ist aber nicht der Fall; der Angehörige eines Staates kann in dem
Kontingent eines anderen Staates seine Wehrpflicht erfüllen, und die Trup-
pen eines Staates können in dem Gebiet eines anderen Staates disloziert sein.
Hiernach werden in der Reichsverfassung, den Reichsgesetzen und den Militär-
konventionen drei Arten von landesherrlichen Militärhoheitsrechten unter-
schieden und geregelt, die Kontingentsherrlichkeit, die auf der Gebietshoheit
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RV. Vgl. über die Bedeutung dieses Württembergischen Ersparnisrechts Jehle im
Arch. f. öff. R. Bd. 17 8. 207 ff.