366 Neunter Abschnitt: Die bewaffnete Macht des Reiches. s 41
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IV. Der Kaiser ist berechtigt, innerhalb des Bundesgebietes Festungen
anzulegen und bereits vorhandene Festungen zu erweitern und zu verändern
mit der selbstverständlichen Beschränkung, dass die dazu erforderlichen Geld-
mittel im Wege der Reichsgesetzgebung bewilligt werden müssen. RV. Art. 65.
Den Einzelstaaten steht demnach kein Widerspruchsrecht zu, mit Ausnahme
von Bayern und Württemberg. Auf das erstere findet Art. 65 der RV. über-
haupt keine Anwendung; dem letzteren ist in der MilitKonvent. Art. 7 die
Zusicherung erteilt worden, dass sich der Kaiser eintretendenfalls mit dem
König von Württemberg vorher ins Vernehmen setzen werde. In dem Recht
zur Anlage und Erweiterung der Festungen ist auch enthalten das Recht der
Expropriation und der Rayonbeschränkungen und das Recht, den Einzel-
staaten jede Ausübung der Landeshoheit zu untersagen, welche die Vertei-
digungsfähigkeit der Festungen mittelbar oder unmittelbar beeinträchtigen
könnte. Während, abgesehen von diesen Beschränkungen, die Landeshoheit
an den Festungen den Einzelstaaten zusteht, hat der Kaiser die militärische
Verfügung über dieselben und das Recht, die Festungskommandanten zu er-
nennen, ausgenommen in Bayern !). Alle im Bundesgebiet (ausser in Bayern)
vorhandenen Festungswerke nebst den dazu gehörigen Gebäuden, Grund-
stücken und Ausrüstungsgegenständen sind Eigentum des Deutschen Reiches;
dagegen gehört das ganze in Bayern befindliche unbewegliche und bewegliche
Festungsmaterial dem bayerischen Fiskus. Der Verfassungsgrundsatz, dass
die Kosten des Kriegswesens von allen Bundesstaaten gleichmässig zu tragen
sind, findet auch hinsichtlich der Festungen Anwendung, und zwar auch auf
Bayern.
ZuReichskriegshäfen sind der Kieler Hafen und der Jadehafen
(Wilhelmshaven) durch Art. 53 Abs. 2 der RV. erklärt worden. Denselben
hat die Kab.-Ordre v. 15. Febr. 1873 (Marine-VBl. S. 37) die Eigenschaft von
Festungen beigelegt ?).
$ 41. Die Organisation und Gliederung der bewaffneten Macht. Die
bewaffnete Macht des Reiches besteht aus dem Heer, der Marine und dem
Landsturm; das Heer aus dem stehenden Heer und der Landwehr; die Marine
aus der Flotte und der Seewehr. |
I. Das stehende Heer. Die Grundzüge der Friedensformation
sind durch das Militärgesetz von 1874 und die zu demselben ergangenen No-
vellen festgestellt worden; im übrigen hat der Kaiser gemäss Art. 63 Abs. 4
der RV. das Recht, den Präsenzstand, die Gliederung und die Einteilung der
Kontingente des Reichsheeres zu bestimmen.
l. Die Friedensformation. Die Organisation des deutschen
Staatsangehörigkeitsgesetz sich ergebenden Konsequenzen, den Fahneneid demjenigen
J.andesherrn, in dessen Gebiet sie ihren Wohnsitz haben.
1) Besondere Bestimmungen sind hinsichtlich der Festung Ulm zwischen Preus-
sen, Bayern und Württemberg durch einen Vertrag vom 16. Juni 1874 vereinbart
worden.
2) Die Begrenzung derselben und die den Marinebehörden des Reiches zustehenden
Befugnisse sind geregelt durch das Reichsges. v. 19. Juni 1883 (RGBl. S. 105). Durch
die kaiserl. Verordn. v. 28. Juni 1909 (RGBl. S. 925) sind die wichtigsten Bestimmungen
dieses Gesetzes auf die Insel Helgoland und ihre Gewässer für anwendbar erklärt
worden.