Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

372 Neunter Abschnitt: Die bewatfnete Macht des Reiches. $ 41 
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b) Die Kriegsgerichte entscheiden in erster Instanz über die Strafsachen, 
für welche die Standgerichte nicht zuständig sind, und in zweiter Instanz 
über Beschwerden gegen die Urteile der Standgerichte; sie bestehen aus einem 
Militärjuristen und vier Offizieren, und bei schwereren Fällen aus zwei Kriegs- 
gerichtsräten und drei Offizieren. 
c) Die Oberkriegsgerichte entscheiden in der Besetzung mit zwei Ober- 
kriegsgerichtsräten und fünf Offizieren in zweiter Instanz über Berufungen 
gegen die Urteile der Kriegsgerichte. 
d) Das Reichsmilitärgericht in Berlin entscheidet über das Rechtsmittel 
der Revision. Die Senate beschliessen und entscheiden in der Besetzung von 
vier militärischen und drei juristischen Mitgliedern; falls aber die Revision 
lediglich auf Verletzung einer Prozessvorschrift oder eines Grundsatzes des 
allgemeinen bürgerlichen Rechts gestützt wird, in der Besetzung von 
vier juristischen und drei militärischen Mitgliedern. 
VI. Die Kriegsmarine. 
1. Nach Art. 53 der RV. steht dem Kaiser die Organisation und Zu- 
samımensetzung der Kriegsmarine und die Ernennung der Offiziere und Be- 
amten zu, und der zur Gründung und Erhaltung erforderliche Aufwand ist 
aus der Reichskasse zu bestreiten. Durch diese Sätze wird die Marine zur 
unmittelbaren Reichsanstalt erklärt und die ausschliessliche 
Zuständigkeit des Reichs scharf und klar festgesetzt. Die gesetzlichen 
Grundlagen für die Organisation der Marine wurden aber 
erst durch das Flottengesetz v. 10. April 1898 (RGBl. S. 165) geschaffen. 
Mit der schnell fortschreitenden Entwicklung der deutschen Flotte erfuhr 
dieses Gesetz mehrfache Abänderungen durch die Gesetze vom 14. Juni 1900, 
5. Juni 1906, vom 6. April 1908 und vom 14. Juni 1912 (RGBl. S. 392). In- 
folge dieser Novellen wurde eine neue Fassung der geltenden Vor- 
schriften erforderlich, zu welcher der Reichskanzler durch Art. IV des Ges. v. 
14. Juni 1912 ermächtigt wurde. Diese Redaktion ist mit dem Datum vom 
27. Juni 1912 vom Reichskanzler im RGBl. S. 435 veröffentlicht worden. 
Durch dieses Gesetz ist sowohl der Schiffsbestand als auch der Personalbe- 
stand der Flotte festgestellt, so dass derselbe den Ansätzen des Reichshaus- 
haltsetats zugrunde zu legen ist. 
Der Schiffsbestand zerfällt in die Schlachtflotte und die Aus- 
landsflotte; die Schlachtflotte besteht aus einem Flottenflaggschiff, 5 Ge- 
schwadern zu je 8 Linienschiffen und 12 grossen und 30 kleinen Kreuzern als 
Aufklärungsschiffen; die Auslandsflotte aus 8 grossen und 10 kleinen Kreuzern. 
Ausgenommen bei Schiffsverlusten sollen Linienschiffe und Kreuzer nach 
20 Jahren ersetzt werden; das bedeutet: nach Ablauf von 20 Jahren seit der 
Bewilligung der ersten Rate für ein Schiff kann die Marineverwaltung die Be- 
willigung der ersten Rate für ein Ersatzschiff verlangen. ($ 2 Abs. 2)!). Die 
Schlachtflotte zerfällt in die aktive und dis Reserveschlachtflotte 2); von der 
1) Für den Zeitraum von 1908 bis 1917 sind die Ersatzbauten durch eine besondere 
Anlage zum Gesetz geregelt, nach welcher in dieser Zeit 17 Linienschiffe, 6 grosse und 19 
kleine Kreuzer zu bauen sind. 
2) Zur aktiven Schlachtflotte gehören ausser einem Flottenflaggschiff 3 Linien-
	        
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