Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

386 Neunter Abschnitt: Die bewaffnete Macht des Reiches. $ 42 
$ 43. Die Militärlasten. Hierunter sind zu verstehen gesetzliche Ver- 
pflichtungen zu Vermögens leistungen für die bewaffnete Macht. Ihrem 
Rechtsgrunde nach gehören sie dem öffentlichen Rechte an; sie bilden einen 
Gegenstand des staatlichen Verwaltungsrechtes, d. h. ihre Verteilung, Er- 
hebung, Geltendmachung geschieht nach den Grundsätzen des öffentlichen 
Rechts im öffentlichen Interesse durch die Verwaltungsbehörden, während 
die Rechte und Pflichten der Armee-Lieferanten lediglich nach den Regeln 
des Privatrechts zu beurteilen und im Wege des bürgerl. Prozesses geltend zu 
machen sind. Ihrem Inhalte nach stehen die Militärlasten aber den Ver- 
pflichtungen dcs Privatrechts gleich; denn sie bestehen in allen Fällen nur in 
Vermögensleistungen. Hierauf beruht der Gegensatz zwischen Militärdien- 
sten und Militärlasten. Die Wehrpflicht setzt einen Staatsangehörigen, 
einen der Staatsgewalt unterworfenen Menschen voraus; die Militärlasten 
treffen das der Staatsgewalt unterworfene Vermögen. Ihnen unterliegen daher 
auch alle juristischen Personen und alle Ausländer, wofern sie im Inlande 
solche Vermögensstücke haben, welche von den Militärlasten berührt wer- 
den; andererseits bleiben die Staatsangehörigen unberührt von den Militär- 
lasten hinsichtlich derjenigen Vermögensstücke, die sie im Auslande haben. 
Ferner ist die Erfüllung der Dienstpflicht eine unschätzbare und unent- 
geltliche Leistung, während die Militärlasten in allen Fällen abschätzbare und 
vergütungsfähige Leistungen sind. Die Wehrpflicht ist eine allgemeine glei- 
che Untertanenpflicht, die jeder, der dazu geeignet ist, nach dem Masse seiner 
Kräfte erfüllen muss. Die Militärlasten dagegen legen einzelnen Personen 
nach zufälligen Umständen Vermögenseinbussen auf, welche, da sie dem Staate 
zugute kommen, von diesem vergütet werden müssen. Mit der Erfüllung aller 
Militärlasten ist daher der Regel nach ein Entschädigungsanspruch gegen den 
Fiskus verknüpft !). Endlich ergibt sich daraus, dass die Militärlasten Ver- 
mögensleistungen zum Inhalt haben, die Subsidiarität derselben. Sie sind nur 
geltend zu machen, wenn durch die Umstände zu einer gewissen Zeit oder aıı 
einem gewissen Orte Bedürfnisse entstehen, denen wegen ihrer Natur oder 
wegen ihres Unfanges durch die gewöhnlichen Mittel der Militärverwaltung 
nicht genügt werden kann; insbesondere nicht durch Verwendung der bereits 
vorhandenen Vorräte oder durch Abschluss von Lieferungsverträgen und an- 
deren Kontrakten. Jedoch ist über das Vorhandensein dieser Voraussetzung 
der Rechtsweg nicht zulässig. Aus diesen Erörterungen ergibt sich, dass alle 
Militärlasten ihrem juristischen Charakter nach eine Verwandtschaft mit der 
Expropriation haben. 
Die Bedürfnisse, zu deren Abhilfe die Militärlasten auferlegt sind, be- 
stimmen sich für die Verhältnisse des Friedens durch wesentlich andere Mo- 
mente wie für den Krieg. Zur Zeit des Krieges oder der Kriegsvorbereitungen 
sind die Bedürfnisse umfangreicher, dringender, vielseitiger; andererseits 
aber ergibt sich gerade aus den Verhältnissen des Friedenszustandes die 
Notwendigkeit gewisser Lasten, auf welche im Kriege verzichtet werden kann, 
1) Die Entschädigungspflicht trifft den Reichs fiskus; ausgenommen in Bayern 
die Entschädigungspflicht für die Friedensleistungen und die Rayonbeschränkungen.
	        
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