390 Zehnter Abschnitt: Das Finanzrecht. 8 44
staaten erstreckt, die bei Ausübung der letzteren entstehenden vermögens-
rechtlichen Verhältnisse den betreffenden Staats fiskus angehen, dass da-
gegen aus den von den Reichsbehörden abgeschlossenen Rechtsgeschäften
Rechte und Verbindlichkeiten für den Reichsfiskus hervorgehen. Dem letz-
teren Falle steht der gleich, dass Landesbehörden in Vertretung (im Na-
men) des Reiches handeln; dagegen ist es in dieser Hinsicht nicht von Erheb-
lichkeit, ob eine Verwaltung für Rechnung des Reichs oder der Einzel-
staaten geführt wird !). Eine abweichende Behandlung findet jedoch der Mi-
litärfiskus. Da die Militärverwaltung keine Reichsverwaltung, sondern Lan-
des-(Kontingents-)Verwaltung ist, so ist dem angegebenen Prinzip gemäss
der Militärfiskus Landesfiskus; dies ist auch in der Reichsverf. Art. 67
und in den Militärkonventionen zum Ausdruck gebracht; da aber die Ver-
waltung auf Kosten des Reichs geführt wird und das gesamts Militärinven-
tar in dem Eigentum des Reiches steht, so ist in der Praxis die Anschauung
zur Geltung gelangt, dass die Kontingentsverwaltungsbehörden von Preussen,
Sachsen und Württemberg die finanzielle Militärverwaltung in Vertre-
tung des Reichs fiskus führen ?), während für Bayern allgemeines Ein-
verständnis darüber besteht, dass der Militärfiskus Landesfiskus ist.
Die Vertretung des Reichsfiskus bestimmt sich durch die Organisation
der Reichsbehörden und durch die Kompetenz, welche den einzelnen Behör-
den und Beamten nach den Vorschriften der Gesetze und Verordnungen zu-
steht. Als gemeiner Grundsatz ist festzuhalten, dass subsidiär, d.h.
soweit nicht durch besondere Anordnung einer anderen Behörde die Ver-
tretungsbefugnis erteilt ist, die Vertretung des Reichsfiskus dem Reichs-
kanzler zusteht. Inwieweit der Reichsfiskus verpflichtet ist, einen Scha-
den zu ersetzen, welchen ein Reichsbeamter bei Ausführung der ihm oblie-
genden Verrichtungen einem Dritten zugefügt hat, d. h. ob der Fiskus nach
$ 31. 89 oder nach $ 831 des BGB. haftet, ist davon abhängig, ob der Beamte
ein „verfassungsmässig berufener Vertreter‘‘ ($ 31) des Reichs oder vom
Reich ‚zu einer Verrichtung bestellt ist‘ ($ 831). Die Entscheidung dieser
Frage ist in vielen Fällen schwierig und zweifelhaft. Das Reichsgericht sieht
das unterscheidende Merkmal darin, ob der Beamte durch die organisatori-
schen Verwaltungsbestimmungen zu seiner Tätigkeit berufen ist, oder ob er
seinen dienstlichen Auftrag wiederum auf diese berufenen Personen zurück-
führt ?®). Gerade dies wird aber in vielen Fällen der Gegenstand des Streits
und Zweifels sein. Wenn es sich um einen Schaden handelt, welchen ein Be-
1) Dies gilt insbesondere von der Erhebung und Verwaltung der in’die Reichs-
kasse fliessenden Zölle und Abgaben, welche den Bundesstaaten obliegt und von Landes-
behörden besorgt wird. Entsch. des Reichsger. in Zivils. Bd. 11 8. 97.
2) Eine reichsgesetzliche Anerkennung hat dies gefunden in den Militärpensions-
gesetzen v. 31. Mai 1906 $39 u. $ 42. Vgl. auch Militärhinterbliebenenges. $ 28.
3) Entsch. in Zivilsachen Bd. 53 S. 279 fg.; 55 S. 176 fg. und 8. 230. Für uner-
heblich erachtet das Reichsgericht, ‚ob die Verrichtungen mehr oder weniger oder gar
nicht selbständig sind, ob sie den Charakter rechtsgeschäftlicher Vertretung tragen
oder nicht, und ob sie aus einzelnen oder einer Mehrheit von Verrichtungen, zeitlich
vorübergehenden oder dauernden bestehen“ (?). Die Fassung der $$ 30, 31 des BGB.
passt nicht auf den Fiskus; denn was bedeutet hier ‚„verfassungsmässig‘‘? Siehe S.105.
Note 3.