398 Zehnter Abschnitt: Das Finanzrecht. gs 44
durch Begebung von Anleihen zu beschaffenden Betrages dienen; sie sollen
daher eine kurze Umlaufszeit, einen festen Fälligkeitstermin haben und durch
die etatsmässigen Jahreseinnahmen oder durch die Erträge der Anleihebe-
gebung getilgt werden; sie sollen daher nicht selbständig und dauernd den
Reichskredit belasten. Seit dem Jahre 1900 hat aber die Finanznot des Reichs
dazu verführt, langfristige Schatzanweisungen zur Beschaffung von Geld-
mitteln auszugeben, ohne dass deren Tilgung durch Einnahmen des Reichs ge-
sichert ist. Diese Schatzanweisungen vertreten daher Anleihen; sie unter-
scheiden sich von ihnen dadurch, dass die Gläubiger ein Recht auf Tilgung an
einem bestimmten Termin haben,
b) Die privatrechtlichen Regeln. Durch die Ausgabe von
Schatzscheinen wird eine Darlehensschuld, durch die Ausgabe von
Schuldverschreibungen ohne Fälligkeit eine Rentenschuld begründet;
beide in derjenigen juristischen Gestaltung, welche durch die Obligationsform
der ‚Wertpapiere‘ gegeben ist. Die Ausgabe oder Emsision ist ein privatrecht-
liches Geschäft, welches als Verkauf der über die Rentenschuld ausge-
gebenen Inhaberpapiere sich qualifiziert. Auf das Schuldverhältnis finden
die Bestimmungen des BGB. $$ 793—806 Anwendung, soweit nicht in der
Reichsschuldenordnung oder in den einzelnen Anleihegesetzen abweichende
Vorschriften gegeben sind. Nicht erhobene Zinsen (Renten) verjähren in vier
Jahren von der Verfallzeit an gerechnet; die in Schatzanweisungen verschris-
benen Kapitalbeträge binnen 30 Jahren nach Eintritt des in jeder Schatzan-
weisung angegebenen Fälligkeitstermins. BGB. $ 197; 801. Das Aufgebot und
die Kraftloserklärung abhanden gekommener oder vernichteter Schuldver-
schreibungen richtet sich nach den im BGB. $ 799 ff. und in der Zivilprozess-
ordn. $ 946 ff. enthaltenen Vorschriften. Durch das RG. vom 31. Mai 1891
(RGBl. S. 321) istenReichsschuldbuc.h eingerichtet worden, dessen
Führung der Reichsschuldenverwaltung übertragen ist. Das Gesetz ist in
zahlreichen Punkten abgeändert worden durch das Ges. v.6. Mai 1910 (RGBl.
S. 665) und in neuer Fassung vom Reichskanzler am 31. Mai 1910 im Reichs-
gesetzbl. S. 840 bekannt gemacht worden !). Durch Eintragung in das Schuld-
buch können die in Gestalt von Inhaberpapieren ausgegebenen Schuld-
verschreibungen in Buchschulden auf den Namen eines bestimmten Gläu-
bigers umgewandelt werden. Die Umwandlung erfolgt gegen Einlieferung der
Reichsschuldverschreibungen;; mit der Eintragung erlöschen die Rechte des
Inhabers an den eingelieferten Schuldverschreibungen. Auf Antrag des
legitimierten Buchschuldgläubigers erfolgt die Rückverwandlung der Buch-
schuld in eine Inhaberpapierschuld, indem die eingetragene Forderung ge-
löscht wird und dem Gläubiger Schuldverschreibungen zu gleichem Zins-
satze und gleichem Nennwerte verabfolgt werden, zu deren Anfertigung
die Reichsschuldenverwaltung durch das Gesetz ($ 6 Abs. 3) ermächtigt:
ist 2).
1) AusfBest. des Bundesrates v. 27. Mai 1910 im Zentralbl. S. 218.
2) Vrl. dazu die Kaiser]. Verordn. v. 24. Januar 1892 (RGBl. S. 303) und FEinfGes.
zum BGB. Art. 50. AusfBestimmungen vom 13. Okt. 1904. (Zentralbl. S. 370.) Die