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400 Zehnter Abschnitt: Das Finanzrecht.
sind, so erstrecken sich die Funktionen der Reichsschuldenverwaltung und der
Reichsschuldenkommission auch auf sie. (Vgl. oben S. 96 a. Anf.).
$ 45. Die Finanzwirtschaft des Reichs.
I. Allgemeine Charakteristik. Im Bundesstaat ist eine dop-
pelte Gestaltung des Finanzwesens möglich, indem entweder die staatliche
Einheit der Gesamtheit oder die Vielheit der verbundenen Gliedstaaten das
massgebende Prinzip bildet. Man kann diesen Gegensatz kurz als Staats-
wirtschaft und Sozietätswirtschaft bezeichnen. Bei der ersteren sind die Ein-
nahmen und Ausgaben nicht bloss gemeinschaftliche, sondern einheitliche
und ungeteilte; es gibt keine Sondereinnahmen oder Sonderausgaben der
einzelnen Teile des Staates, keine anteilsmässigen Beiträge zur Deckung der
Kosten und keine Verteilung der Ueberschüsse. Andererseits gibt cs bei kon-
sequent durchgeführter Gesellschaftswirtschaft nur Einnahmen und Ausgaben
der Mitglieder; denn wenn die gemeinschaftlichen oder ‚cigenen‘‘ Ausgaben
und Einnahmen des Bundes unter dieselben nach einem bestimmten Massstabe
verteilt werden, so sind sie der Wirkung nach Ausgaben und Einnahmen der
Mitglieder. Der entscheidende Punkt, auf den es hier ankommt, ist
allein der, ob die Sonderexistenz der Mitglieder in der einheitlichen Finanz-
wirtschaft verschwindet oder in der quotenmässigen Verteilung dor Differenz
zwischen Einnahmen und Ausgaben auf die einzelnen Mitglieder zur Geltung
kommt. Das charakteristische Moment der Sozietätswirtschaft der Staaten
wird gebildet durch die Matrikularbeiträge derselben zu den Aus-
gaben des Reichs und durch die Ueberweisungen von Anteilen an
den Einnahmen des Reiches. Ueberall, wo diese Einrichtungen bestehen, hat
die Finanzwirtschaft eine gesellschaftliche Natur; denn alsdann bestehen A n-
teile im Gegensatz zur ungeteilten Einheit.
Dass bei der Errichtung des Norddeutschen Bundes die Finanzwirtschaft
nach dem Sozietätsprinzip organisiert wurde, ergibt sich aus mehreren Be-
stimmungen der Verfassung mit voller Gewissheit, in denen von Anteilen,
Beiträgen, Quoten, gemeinschaftlichen Einnahmen und Ausgaben der ein-
zelnen Bundesstaaten geredet wird. Art. 38; 51; 62; 70. Der Grund für diese
Gestaltung lag in der historischen Anknüpfung an die Einrichtungen des ehe-
maligen Deutschen Bundes und des Zollvereins. Im Nordd. Bunde hätte
aber die Gesellschaftswirtschaft nach kurzer Zeit verschwinden müssen; denn
cs gab nur Ausgaben, die allen Staaten nach gleichem Masse gemeinschaftlich
waren, und ebenso hätte es nach Ablauf der für die Verteilung der Postüber-
schüsse normierten Ucbergangszeit nur Einnahmen gegeben, an denen alle
Staaten im gleichen Masse Anteil hatten, sodass es lediglich der Einführung
von Bundesstouern behufs Beseitigung der Matrikularbeiträge bedurft hätte,
um die Bundesfinanzwirtschaft aus der gesellschaftlichen Rechtsform in die
korporative (staatliche) überzuleiten. Die Bundesverfassung selbst wies
darauf hin, dass die sozietätsmässige Gestaltung der Finanzwirtschaft nur
vorübergehend bestehen sollte ; denn Art. 70 der Verf. verpflichtete die Bundes-
staaten zur Zahlung von Matrikularbeiträgen nur, ‚so lange Reichssteuern
nicht eingeführt sind“. Matrikularbeiträge entsprechen der Rechtsgestalt