$ 45 Die Finanzwirtschaft des Reiches. III. Die Zölle und Verbrauchssteuern. 403
Die Grundprinzipien, auf denen das Zollwesen des Reiches beruht, sind
denjenigen der Militär- und Gerichtsverfassung analog; sie sind auf drei
Hauptpunkte zurückzuführen: Einheit des Zollgebietes, Einheit der Zollgesetz-
gebung und Verwaltungsvorschriften, und Selbstverwaltung der Einzelstaa-
ten unter Kontrolle des Reichs.
l. DoEinheit des Zollgebietes. Inder RV. ist an die Spitze
des das Zoll- und Handelswesen betreffenden Abschnittes (VI) der Satz ge-
stellt: ‚Deutschland bildet ein Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von gemein-
schaftlicher Zollgrenze‘‘. Dieser Grundsatz ist aber tatsächlich modifiziert,
indem Gebiete, die nicht zum Reich gehören, dem Zollgebiete angeschlossen
sind (Zollannexe), nämlich Luxemburg, welches Preussen, und die zu Oester-
rcich gehörenden Gemeinden Jungholz und Mittelberg, welche Bayern an-
geschlossen sind; und indem andererseits einzelne Teile des Bundesgebietes
von der Zollgrenze ausgenommen sind (Zollexklaven). Unter den letzteren
sind zwei Kategorien zu unterscheiden; Art. 33 Abs. 1 der RV. lässt ‚‚die we-
gen ihrer Lage zur Einschliessung in die Zollgrenze nicht geeigneten einzel-
nen Gebietsteile‘“ als Zollausschlüsse zu, ohne den betreffenden Einzelstaaten
ein subjektives Recht auf den Zollausschluss zu geben !); Art. 34 erkennt ein
Sonderrecht der Hansestädte Bremen und Hanıburg an, ‚‚dass sie mit einem
dem Zweck entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes als
Freihäfen ausserhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze bleiben, bis sie
ihren Einschluss in dieselbe beantragen“. Auf Grund eines zwischen dem
Reichskanzler und dem Hamburgischen Senat abgeschlossenen Ver-
trages v. 25. Mai 1881 und des Reichsges. v. 16. Febr. 1882 (RGBl. S. 39 ff.),
betreffend die Ausführung des Anschlusses der Stadt Hamburg an das deutsche
Zollgebiet, hat der hamburgische Senat den Anschluss seines Staatsgebietes
mit Ausnahme eines eigentlichen Freihafens an das Zollgebiet beantragt, und
der Bundesrat hat diesen Antrag genehmigt ?). Der Anschluss der Stadt und
des Gebietes von Hamburg ist am 15. Oktober 1888 erfolgt. Mit demselben Zeit-
Die Bezugnahine auf Art. 7 neben Art. 78 erhärtet vielmehr, dass sie teils die formelle
Kraft von Verfassungssätzen (Art. 78), teils die formelle Kraft von gewöhnlichen Reichs-
gesetzen (Art. 7 Ziff. 1), teils die formelle Kraft von Bundesrats-Verordnungen (Art. 7
Ziff. 2) haben. Dass Art. 7 der RV. auf Art. 5 (einfache Gesetzgebung) zurückweist,
kann nicht bestritten werden, da Abs. 1 Ziff. 1 dieses Artikels von den dem Reichstage
zu machenden Vorlagen etc. handelt, und ist auch formell zweifellos, da Abs. 3
den Artikel 5 ausdrücklich in Bezug nimmt. Als verfassungsmässige
Rechtssätze sind anzusehen all&, Bestimmungen des Zollvereinsvertrages über Gegen-
stände, auf welche sich die Kanıpetenz des Reichs zur Gesetzgebung nicht erstreckt,
sowie diejenigen, welche die Rechte der Einzelstaaten gegen die des Reichs abgrenzen ;
Bestimmungen mit einfacher Gesetzeskraft sind die Anordnungen über Gegen-
stände, welche unter die verfassungsmässige Gesetzgebungskumpetenz fallen. Ver-
waltungs verordnungen sind die in das Schlussprotokoll zu den Zollvereinsverträgen
von 1865 und 1867 aufgenommenen Bestirnmungen, sowie alle vom Bundesrat zur Aus-
führung des Zollvertrages und der Zollgesetze beschlossenen Ausführungsbestimmungen
und Reglements. Vgl. mein Staatsrecht des D. R. Bd. IV. S. 387 ff.
1) Zu diesen Exklaven gehört ausser einigen kleinen badischen Gebieten in den
Kreisen Konstanz und Waldshut und den Hafenanlagen bei Geestemünde nebst der
Schiffsbevölkerung die preuss. Insel Helgoland. Reichsges. v. 15. Dez. 1890 $ 2 (RGBi.
S. 207). Ferner ein Gebiet im Emder Aussenhafen. V. v. 28. Jan. 1904 Zentralbl. S. 27.
2) Eine anderweite Abgrenzung des Freihafengebietes ist erfolgt durch Beschluss
des Bundesrates vom 25. März 1909 (Zentralbl. S. 749).
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