Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

34 Zweiter Abschnitt; Das rechtliche Verhältnis d. Reiches zu den Gliedstaaten. $ 6 
  
steuer-Gemeinschaft, von der Post- und Telegraphen-Verwaltung, von der Zu- 
ständigkeit des Reiches hinsichtlich des Eisenbahnwesens, der Heimats- und 
Niederlassungsverhältnisse !), der Immobiliarversicherung, von der Kompe- 
tenz der Normaleichungskommission, die Befugnis, einer Notenbank das Recht 
zur Ausgabe von Banknoten bis zum Höchstbetrage von 70 Millionen Mark zu 
erteilen, und insbesondere seine Sonderstellung hinsichtlich der Militär- 
Gesetzgebung und -Verwaltung und der Festsetzung des Militär-Etats; endlich 
der Anspruch auf einen besonderen Senat für das bayer. Heer bei dem Reichs- 
militärgericht ?). 
Sonderrechte der zweiten Klasse haben Preussen, nämlich die 
Präsidialrechte; ferner Bayern, indem ihm im Bundesrat eine erhöhte 
Stimmenzahl zusteht und das Recht auf den Vorsitzim Falle der Verhinderung 
Preussens, sodann der ständige Vorsitz im Ausschuss für die au. wärtigen 
Angelegenheiten und ein ständiger Sitz im Ausschu s für Landheer und 
Festungen ihm zugesichert ist und eine eventuelle Vertretung der Reichrge- 
sandten durch seine Gesandten stattfinden soll, endlich Württemberg 
und Sachsen, welche ständige Sitzein den Bundesrats-Ausschüssen für das 
Landheer und die Festungen und die auswärtigen Angelegenheiten haben. 
Die finanziellen Sonderrechte sind nicht von erheblicher staatsrecht- 
licher Bedeutung °). 
Das Wesen der Sonderrechte besteht darin, dass sse nur mit Zu- 
stimmung des berechtigten Staates aufgehoben werden können. Es ist 
dies in einzelnen Anwendungen anerkannt, z. B. im Württembergischen 
Schlussprotokoll Z. 3, im Bayerischen Schlussprotokoll Z. IV, im Art. 34 der 
RV. Auch die Bestimmung des Art. 78 Abs. 1, wonach Verfassungs-Aende- 
rungen im Wege der Gesetzgebung zulässig sind, lässt das materielle Erfor- 
dernis der Zustimmung des berechtigten Staates bei der Aufhebung von 
Sonderrechten unberührt. In dem Badisch-Hessischen Schlussprotokoll Ziff. 8 
wurde dies ‚„allseitig als selbstverständlich‘‘ konstatiert; dieselbe Bestimmung 
wurde in das Bayerische Verfassungs-Bündnis Ziff. V aufgenommen und später 
bei der definitiven Redaktion der Reichsverfassung dieser als Art. 78 Abs. 2 
beigefügt. Das Erfordernis der Zustimmung des berechtigten Staates hat 
damit nichts zu tun, dass Vorschriften der Verfassung geändert werden, 
sondern nur damit, dass ‚‚bestimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren 
Verhältnis zur Gesamtheit‘‘ verändert oder beseitigt werden sollen. Dasselbe 
gilt daher auch von Sonderrechten, welche nicht in der Verfassung fest- 
gestellt worden sind *®). In der Zustimmung eines berechtigten Staates zu 
einem Gesetz, welches ein Sonderrecht aufhebt oder beschränkt, ist zugleich 
1) Vgl. M. Seydelin Hirths Annalen 1891 S. 72 ff. 
2) Reichsges. v. 9. März 1899 (RGBl. S. 135). 
3) Vgl. Hirths Annalen 1874 S. 1512 ff. 
4) Dies ist indessen cin vielbestrittener Punkt. Siehe die näheren Angaben in 
meinem Staatsr. d. Deutschen Reichs (5. Aufl.) IS. 121 ff., ferner jetzt auch Arndt, 
Reichsstaatsr. S. 197 fg. v. Jagemann 8. 229 ff. Reincke, Komnientar 8. 326. 
Die entgegengesetzte Ansicht wird namentlich vertreten von Löningin Hirths Anna- 
len 1875 S. 337 ff. G. Meyer $164 Hänel, Staatsr. S. 807 ff. und Anschütz 
S. 521 fg.
	        
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