$ 45 Die Finanzwirtschaft des Reiches. VI. Die Erbschaftssteuer.
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zu ermitteln, so tritt an die Stelle der Wert des Grundstücks; dem Erwerbs-
preise werden aber gewisse Beträge zugerechnet und vom Veräusserungs-
preise abgerechnet (Ges. $$ 8—27). Die Steuer besteht in Prozenten der Wert-
steigerung, die sich aus dem Erwerbspreise und Zu- und Abrechnungen er-
gibt und steigt nach einem im Ges. $ 28 festgesetzten Tarif von 10 bis 30 Pro-
zent je nach der Grösse der Wertsteigerung. Von der Steuerpflicht befreit
sind der Landesfürst und die Landesfürstin, das Reich, die Bundesstaaten
und Gemeinden, in deren Bereich das Grundstück sich befindet, sowie die im
$ 30 Ziff. 4 aufgeführten Vereinigungen zu gemeinnützigen Zwecken. Für die
Verwaltung und Erhebung der Zuwachssteuer ist der Bundesrat zuständig,
in welchem sich das Grundstück befindet; er bestimmt die Stellen, durch
welche die Verwaltung erfolgt; die Reichszollbevollmächtigten haben die Ver-
waltung zu überwachen und üben dieselben Befugnisse aus, die ihnen hinsicht-
lich der Zölle und Verbrauchssteuern beigelegt sind ($ 36). Jeder steuer-
pflichtige Rechtsvorgang ist binnen einem Monat der zuständigen Steuerbe-
hörde anzumelden; verpflichtet hierzu sind der Veräusserer und der Erwerber
($ 37 fg.). Auf Grund der Steuererklärung und des von der Steuerbehörde
ermittelten Tatbestandes erteilt dieselbe einen Steuerbescheid, gegen welchen
binnen einem Monat die Beschwerde und das Verwaltungsstreitverfahren
zulässig sind ($ 40 ff.). Die Nichterfüllung der Pflicht zur Einreichung der
Zuwachssteueranmeldung oder -erklärung unterliegt einer Geldstrafe bis
zum vierfachen Betrage der Zuwachssteuer ($50ff.). Von dem Ertrage der Zu-
wachssteuer erhält das Reich die Hälfte; 10 Prozent erhalten die Bundes-
staaten, sofern nicht die Landesgesetzgebung eine andere Bestimmung trifft,
als Entschädigung für die Verwaltung und Erhebung der Steuer und 40 Pro-
zent die Gemeinden oder Gemeindeverbände, in deren Bereiche das Grund-
stück sich befindet (8 58). Die Gemeinden sind berechtigt, mit Genehmigung
der Landesregierung durch Satzung zu bestimmen, dass für ihre Rechnung
Zuschläge erhoben werden ($ 59 ff... Das Gesetz enthält überdies eine Reihe
von Uebergangsbestimmungen, eine weitreichende Delegation an den Bundes-
rat zum Erlass von Rechtsvorschriften !) und einige infolge der Einführung
der Zuwachssteuer erforderliche Abänderungen des Reichsstempelgesetzes.
VI. DieErbschaftsstenuer.
Durch das Reichsges. v. 3. Juni 1906 ist eine Reichserbschafts-
steuer eingeführt worden (RGBl. S. 654) 2). Sie ist von jedem Erwerb von
Todeswegen und von Schenkungen zu entrichten 8). Auf Schenkungen
unter Lebenden finden durchweg die Vorschriften über die Erbschaftssteuer
entsprechende Anwendung. Ihr ist unterworfen das gesamte bewegliche Ver-
1) Diese Ausführungsbestimmungen sind am 27. März 1911 beschlossen und im
Zentralbl. S. 79 bekannt gemacht worden.
2) Ausführungsbest. des Bundesrats vom 16. Juni 1906 im Zentralbl. (S. 929 ff.);
v. 1911 das. S. 574. Unter den Kommentaren des Gesetzes sind hervorzuheben die von
F.W.A. Zimmermann (München 1906) u. Josı wski (Köln 1906).
3) Nach einer merkwürdigen Entscheidung des Reichsgerichts v. 10. Okt. 1911
(Bd. 77 8. 238) hat auch derjenige, welcher den Pflichtteilsanspruch nicht geltend macht
und auch nicht die Absicht hat, ihn geltend zu machen, also in Wirklichkeit gar keinen
Erwerb von Todeswegen macht, dennoch die Erbschaftssteuer zu entrichten.