Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

422 Zehnter Abschnitt: Das Finanzrecht. x 45 
  
  
  
mögen, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger eines deutschen 
Bundesstaates war; ferner das im Inlande befindliche Vermögen eines aus- 
ländischen Erblassers, wenn er zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz oder 
in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem 
Bundesstaate hatte; endlich in allen Fällen das ın inländischen Grundstücken 
und Immobiliarrechten bestehende Vermögen. (Ges. $ 1—9.) Die Steuer ist 
nach dem Verwandtschaftsverhältnis des Erwerbers zum Erblasser in vier 
Klassen abgestuft und zwar zu 4, 6, 8 und 10 Prozent vom Wert des Erwer- 
bes; sie wird jedoch, wenn der Wert des Erwerbes den Betrag von 20,000 Mk. 
übersteigt, progressiv erhöht, so dass sie bis zu 25 Prozent des Erwerbes an- 
wachsen kann, ohne die von den Bundesstaaten erhobenen Zuschläge. Be- 
freit von der Steuer sind — abgesehen von Erwerben von geringfügigem Be- 
trag — Deszendenten und Ehegatten !), sowie der Landesfürst und die Lan- 
desfürstin. Die Steuer ist auf 5 Prozent ermässigt von einem Erwerb, welcher 
inländischen Kirchen oder Stiftungen, und juristischen Personen, welche 
ausschliesslich kirchliche, mildtätige oder gemeinnützige Zwecke verfolgen, 
anfällt; sowie für Zuwendungen, deren Verwendung für solche Zwecke ge- 
sichert ist. Beträgt der Vermögensvorteil nicht mehr als 5000 Mk., so ist er 
von der Erbschaftssteuer befreit ($ 12). Von land- und forstwirtschaftlichen 
Grundstücken, einschliesslich der dazu gehörenden Gebäude und des Zube- 
hörs, wird die Steuer um ein Viertel ermässigt und nach dem Ertragswert, 
d. h. „das 25 fache des Reinertrages, den die Grundstücke nach ihrer bishe- 
rigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsmässiger Bewirtschaftung 
nachhaltig gewähren können‘, berechnet ($ 15, 16). Wenn der Steuerpflich- 
tige ein Deutscher ist, so ist zum Zwecke der Einziehung der Erbschafts- 
steuer die Zwangsversteigerung eines Grundstücks ohne seine Zustimmung 
nicht zulässig. Ges. $ 48. 
Zur Erhebung und Verwaltung der Erbschaftssteuer ist der Bundes- 
staat zuständig, in welchem der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen Wohn- 
sitz gehabt hat, beziehentl. in welchem das Grundstück liegt. Sie erfolgt durch 
von der Landesregierung bestimmte Steuerämter (Erbschaftssteuerämter). 
Auch die Oberbehörden sind Landesbehörden; die höchste Instanz sind die 
obersten Landesfinanzbehörden. Die Kontrolle der Verwaltung wird seitens 
des Reichs durch die Reichsbevollmächtigten für Zölle und Steuern geführt, 
welche in Ansehung der Erbschaftssteuer dieselben Rechte und Pflichten 
haben, wie in Ansehung der Zölle und Verbrauchssteuern $ 34, 35. Siehe 
oben S. 412. Jeder, dem ein steuerpflichtiger Erwerb von Todeswegen an- 
fällt, sowie Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger und gesetzliche Vertre- 
ter der Erben haben die Pflicht zur Anmeldung des Erwerbs und zur Erb- 
schaftssteuererklärung, deren Verletzung mit hohen Gelldstrafen bedroht ist. 
($ 36 bis 44; 49 ff.) 
Die Bundesstaaten sind berechtigt, für eigene Rechnung Zuschläge 
zur Reichserbschaftssteuer zu erheben und auch Abkömmlinge und Ehe- 
1) Die näheren Anordnungen enthält $ 11 des Gesetzes.
	        
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