$ 16 Das Budgetrecht. II. Die Wirkungen des Etatsgesetzes.
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nicht von den Voraussetzungen, unter denen eine Ausgabe der Be-
willigung bedarf, und noch viel weniger ist darin die Regel enthalten, oder
vorausgesetzt oder auch nur angedeutet, dass die Bewilligung des Reichstages
die notwendige und unerlässliche Voraussetzung sei für (lie Befugnis der Reichs-
regierung, überhaupt eine Ausgabe zu leisten.
5. DieBewilligungderEinnahmen. Die Reichsverfassung
spricht von einer Bewilligung der Einnahnıen nicht; die Einnahmen
beruhen vielmehr auf dauernden, einer jährlichen Genehmigung nicht
bedürftigen gesetzlichen Titeln. Die Ansätze des Etats sind keine Ermäch-
tigungen zur Erhebung der Beträge, sondern finanzwissenschaftliche oder
kalkulatorische Schätzungen. Neue Einnahmequellen dagegen, für welche
der Reichsregierung in den bisherigen Gesetzen ein Rechtstitel nicht gegeben
ist, können nur unter Zustimmung des Reichstages eingeführt werden.
Auch zur Kontrahierung von Anleihen, zur Ausgabe von Schatzscheinen, zur
Uebernahnie von Bürgschaften und zur Veräusserung oder Verwendung von
Reichsfinanzvermögen bedarf die Regierung der gesetzlichen Ermächtigung.
Was das Verwaltungsvermögen anlangt, so besteht zwar kein Rechtssatz,
wonach die Veräusserung von unbrauchbar oder entbehrlich gewordenen Ob-
jekten an die Genehmigung des Bundesrats und Reichstages gebunden wäre;
durch das Ges. v. 25. Mai 1873 $ 10 (RGBl. S. 115) ist aber angeordnet wor-
den, ‚dass alle Einnahmen aus der Veräusserung von Grundstücken, Mate-
rialien, Utensilien oder sonstigen Gegenständen, welche sich im Besitz der
Reichsverwaltung befinden, für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichs-
haushalts-Etat gebracht werden müssen“.
6. Die Feststellungder Matrikularbeiträge. Soweit
durch die Einnahmen genügende Deckungsmittel für die etatsmässigen Aus-
gaben nicht gegeben werden, muss der Reichstag Matrikularbeiträge be-
willigen. Die Reichsregierung braucht sich einen Etat, der nicht balanziert,
sondern mit einem Defizit abschliesst, nicht gefallen zu lassen. Der Art. 70,
auch in der Fassung des Gesetzes v. 14. Mai 1904, schreibt ganz kategorisch
vor, dass die Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Reiches
durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Massgabe ihrer Bevölkerung
aufzubringen ist, und da nach Art. 69 alle Einnahmen des Reiches auf den
Reichshaushalts-Etat gebracht werden müssen, so können Reichstag und
Bundesrat sich der budgetmässigen Festsetzung der Matrikularbeiträge in
Höhe jener Differenz nicht entziehen. Es ist dies deshalb von Wichtigkeit, weil
der Reichskanzler nicht nach Massgabe des Bedürfnisses, sondern nur in Höhe
des budgetmässigen Betrages die Matrikularbeiträge einzuziehen befugt ist.
Vgl. oben S. 426.
ll. Die Wirkungen des Etatsgesetzes. 1. Der Etat enthält keine Rechta-
regel, keinen Befehl und kein Verbot, sondern nur Zahlen von höchst ver-
schiedenartiger Bedeutung, welche nur in dem einen Punkte mit einander
zusammenhängen, dass sie die Finanzwirtschaft des Reiches betreffen und in
ihrer Gesamtheit dieselbe darstellen. Der Etat als Ganzes ist das von den
höchsten Organen der Reichsgewalt festgestellte Programm derReichs-
Laband, Reichsstaatsrecht. 6. Aufl. 28