7
Ku
=
Das Budgetrecht. II. Die Wirkungen des Etatsgesetzes.
435
Etats auf die Beobachtung der Gesetzesform zurückführt und aus ihr her-
leiten will, als unhaltbar.
Hiernach besteht die materielle Wirkung des Etatsgesetzes in der
imvorauserteiltenEntlastung der Regierung von der Verant-
wortlichkeit gegen Bundesrat und Reichstag, insoweit die Regierung bei der
Führung der Verwaltung den Ansätzen des Etats gemäss verfährt. Die for-
melle Gesetzeskraft des Etatsgesetzes besteht wie bei allen anderen Gesetzen
darin, dass das Etatsgesetz auf keine andere Art als im Wege der Gexetz-
gebung aufgehoben oder verändert werden kann.
3. Niemals kann der Etat in dem Sinne festgestellt werden, dass Ab-
weichungen von ihm überhaupt nicht vorkoninıen dürfen. Da er sich auf die
Zukunft bezieht, so kann seine Feststellung nur mit demjenigen Grade der
Sicherheit erfolgen, mit welchem man die Zukunft vorher sehen oder vorher
bestimmen kann. Gerade in finanzieller Hinsicht ist seine bindende Kraft am
geringsten, dla die Höhe der Ausgaben und Einnahnen zun grossen Teil von
tatsächlichen Verhältnissen bedingt ist, die teils nicht vom freien Willen ab-
hängen, teils nicht mit Sicherheit vorher erkannt werden können. Aber auch
die materiellen Gründe und Zwecke der Ausgaben lassen sich nicht mit abso-
luter Sicherheit vorher fixieren. Der Etat soll keine Schablone sein, in welche
die Verwaltung durchaus gepresst werden muss, sondern eben nur ein der
Verwaltung vorgezeichnetes Programm. Endlich normiert der Etat die Fi-
nanzwirtschaft für ein Jahr, während die faktische Erhebung von Einnahmen
und Leistung von Ausgaben sich an diese Frist nicht binden lässt. Hiernach
können folgende Arten von Abweichungen von den Ansätzen des Etats vor-
kommen:
a) Finanzielle oder quantitative, nämlich Minder-Ein-
nahmen oder Mehr-Einnahmen, oder Minder-Ausgaben oder Mehr-Ausgaben.
Die letzteren heissen Etats-Ueberschreitungen. Alle quantitativen Etats-Ab-
weichungen müssen bei der definitiven Rechnungslegung nachgewiesen und
gerechtfertigt werden; dagegen von einer Genehmigung oder Bewilligung
kann nur in einem sehr beschränkten Masse die Rede sein, da sie gewöhnlich
nicht durch freie oder auf Willensentschliessung beruhende Handlungen der
Regierung entstehen, sondern Folgen der fehlerhaften Veranschlagung im
Etat selbst sind. Da die Höhe vieler Einnahmen und Ausgaben nur nach
Weahrscheinlichkeit und nach usancemässigen Fraktionen veranschlagt wird,
so liegt es in der Natur der Sache, dass die wirklichen Ergebnisse von diesen
Anschlägen abweichen. Mindereinnahmen, Mehreinnahnen und Etatsüber-
schreitungen dieser Kategorie erscheinen daher lediglich als Tatsachen,
welche zur Kenntnis des Bundesrats und Reichstages gebracht wer-
den. Nur soweit die Etatsüberschreitung auf dem Willen der Regierung
beruht, hat sie den Charakter einer Handlung, für welche sie verantwortlich
ist und der Genehmigung des Bundesrats und Reichstags bedarf.
b) Die matsriellenoderqualitativen Abweichungen vom
Etatsgesetz sind die Nichterhebung einer etatsmässigen Einnahme oder die
Erhebung einer im Etat nicht aufgeführten Einnahme sowie die Nichtleistung
2g*