Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

  
440 Zehnter Abschnitt: Das Finanzrecht. $ 46 
  
  
einen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Frage geben, ob die Re- 
gierung sich innerhalb der angemessenen Summen gehalten habe. Zu dem- 
selben Nachweise ist die Regierung genötigt, wenn sie bei gesetzlich fest- 
gestelltem Etat den budgetmässig veranschlagten Betrag überschreitet. Man 
kann daher den Satz aufstellen, dass bei nicht zustande gekommenem Etats- 
gesetz die Reichsregierung hinsichtlich aller notwendigen, aber der Höhe 
nach nicht feststehenden Ausgaben in bezug auf den ganzen Betrag der- 
selben eine ähnliche Verantwortlichkeit trägt wie bei der Verwaltung 
auf Grund eines Etatsgesetzes hinsichtlich der Etatsüberschrei- 
tungen. " 
Für die willkürlichen, d. h. durch Gesetze nicht erforderten Ausgaben 
bedarf die Regierung der Regel nach einer Ermächtigung durch das Etats- 
gesetz, falls nicht in einem speziellen Gesetze die Ermächtigung zu einer Aus- 
gabe erteilt ist; demgemäss hat das Nichtzustandekommen des Etatsgesetzes 
im allgemeinen die Wirkung, dass die Regierung solche Ausgaben unterlassen 
muss. Allein aus tatsächlichen Gründen kann die Regierung in die 
Lage kommen, Ausgaben dieser Art leisten zumüssen. Die Befugnis hierzu 
beruht auf der allgemeinen Verpflichtung der Regierung, dringende Staats- 
interessen wahrzunehmen; es ist widersinnig, die Staatsverwaltung unter die 
Fiktion zu stellen, dass kein Staatsinteresse dringend, keine Ausgaben not- 
wendig sein können, deren Dringlichkeit und Notwendigkeit nicht vorher 
durch ein Gesetz anerkannt worden ist. Auch bei vorhandenem Etatsgesetz 
kann der Fall eintreten, dass die Regierung Ausgaben für Zwecke leisten 
muss, welche im Etatsgesetz gar nicht berücksichtigt worden sind, vielleicht 
gar nicht berücksichtigt werden konnten. Hinsichtlich solcher ausseretats- 
mässigen Ausgaben hat aber die Regierung nicht nur den Nachweis zu füh- 
ren, dass sie der Höhe nach angemessen und erforderlich waren, sondern auch 
dass der Zweck der Ausgabe selbst durch ein dringendes Reichsinteresse ge- 
boten war. In dieser Lage befindet sich die Regierung, wenn sie ohne Etats- 
gesetz die Verwaltung führt, binsichtlich aller, nicht auf gesetzlicher Ver- 
pflichtung oder Ermächtigung beruhenden Ausgaben und man kann demge- 
mäss den Rechtssatz aufstellen, dass bei nicht zustande gekommenem Etats- 
gesetz die Regierung hinsichtlich aller, nicht auf Gesetzesvorschriften beruhen- 
den Ausgaben eine ähnliche Verantwortlichkeit trägt, wie bei der Verwaltung 
auf Grund eines Etatsgesetzes hinsichtlich derausseretatsmässigen 
Ausgaben. 
2. Die Einnahmen beruhen zum grössten Teil auf Quellen, die von 
der alljährlichen Bewilligung unabhängig sind, insbesondere auf den dauernd 
gültigen Zoll-, Steuer- und Gebührengesetzen und den Erträgen der Betriebs- 
anstalten; hinsichtlich dieser Einnahmen ist daher die Verwaltung, wenn kein 
Etatsgesetz zustande gekommen ist, in ganz darselben Lage, als wenn die 
voraussichtlichen Erträge dieser Quellen im Etatsgesetze veranschlagt worden 
sind. Eine Ausnahme best-ht nur hinsichtlich der Matrikularbeiträge !), da 
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1) Ueber die an’ Stelle der Entrichtung der Mairikularbeiträge eintretende Pflicht 
der Einzelstaaten, jährlich so viel mal 225 Taler als die Kopfzahl der Friedensstärke
	        
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