Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

88 Das Bundesgebiet. 37 
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Dritter Abschnitt. 
Die natürlichen Grundlagen des Reiches, (Land und Volk). 
$ 8. Das Bundesgebiet. I. Die in früherer Zeit herrschende 
Ansicht, dass die Gebietshoheit einen besonderen Bestandteil der Staatsgewalt 
ausmache und bestimmte einzelne Befugnisse enthalte, kann man als 
beseitigt ansehen. Das Gebiet des Staates bildet den räumlichen Machtbereich, 
innerhalb dessen der Staat die ihm zustehenden Herrschaftsrechte entfaltet. 
Die Gebietshoheit ist sonach die Staatsgewalt selbst; dass die letztere inner- 
halb eines bestimmten Gebietes ausgeübt wird, ist nicht ein Teil ihres Inhalts, 
sondern eine Eigenschaft derselben !). Hiernach muss es fraglich erscheinen, 
ob das Gebiet überhaupt als ein Objekt der Staatsgewalt angesehen 
werden könne; denn, sagt man, wenn unter Gebietshoheit die Ausübung der 
Staatsgewalt in einem Gebiete zu verstehen ist, so könne sie nicht als ein 
Recht an einem Gebiete definiert werden. In dieser Beziehung unterscheidet 
sich aber die Gebietshoheit keineswegs vom Grundeigentum. Auch das letztere 
kann man definieren entweder als den Raum, innerhalb dessen der Eigen- 
tümer unter den von der Rechtsordnung gezogenen Schranken schalten und 
walten und jeden andern ausschliessen kann, oder als das Objekt der dem 
Eigentümer zustehenden Rechtsmacht. Beides bedingt sich gegenseitig. Die 
„Raumfunktion‘ des Grundeigentums macht das Grundstück zum Objekt 
des Eigentumsrechts und umgekehrt folgt aus der Herrschaft des Eigentümers 
über das Grundstück seine Befugnis, innerhalb der räumlichen Grenzen 
des Grundstücks ausschliesslich zu tun, was ihm beliebt. Dass die Theorie 
des Privatrechts das Grundeigentum nicht als „Raumfunktion“, sondern als 
„Sachfunktion‘ behandelt, beruht auf dem sehr massgebenden Grunde, dass 
der Rechtsbegriff des Eigentums gleichmässig für unbewegliche und beweg- 
liche Sachen zu bilden ist und die Vorstellung des Eigentums an beweglichen 
Sachen als Raumfunktion, wenn überhaupt durchführbar, unnatürlich und 
gekünstelt wäre. Hinsichtlich des Eigentums an Grundstücken besteht diese 
Schwierigkeit aber nicht. Mag man daher das Gebiet als den Raum ansehen, 
innerhalb dessen die Staatsgewalt sich äussert, oder als Objekt, welches der 
  
1) Vgl.v. Gerber, Grundzüge $22. Brockhausin v. Holtzend. Rechts- 
lexikon Art. „Staatsgebiet“. Zorn I. S. 69. Seydel, Bayr. Staatsr. I. S. 517 fg. 
629. v. Sarwey, Württ. Staatsr. IL. 49 ff. Rosin, Oeffentl. Genossensch. S. 45 ff. 
Affolter im Arch. f. öffentl. R. Bd. 21 8. 428 ff.
	        
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