Anhang: I. Verfassung des Deutschen Reichs. 457
auch gegen den Widerspruch der Bundesglieder, deren Gebiet die Eisenbahnen durchschnei-
den, unbeschadet der Landeshoheitsrechte, für Rechnung des Reichs angelegt oder an Pri-
vatunternehmer zur Ausführung konzessioniert und mit dem Expropriationsrechte aus-
gestattet werden.
Jede bestehende Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet, sich den Anschluss neu ange-
legter Eisenbahnen auf Kosten der letzteren gefallen zu lassen.
Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehenden Eisenbahn-Unternehmungen ein
Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von Parallel- oder Konkurrenzbahnen einräumen,
werden, unbeschadet bereits erworbener Rechte, für das ganze Reich hierdurch aufgehoben.
Ein solches Widerspruchsrecht kann auch in den künftig zu erteilenden Konzessionen nicht
weiter verliehen werden.
Artikel #2.
Die Bundesregierungen verpflichten sich, die deutschen Eisenbahnen im Interesse des
allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz verwalten und zu diesem Behuf auch die
neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anleren und ausrüsten zu lassen.
Artikel 33.
Es sollen demgemäss in tunlichster Beschleunigung übereinstimmende Betriebseinrich-
tungen getroffen, insbesondere gleiche Bahnpolizei-Reglements eingeführt werden. Das
Reich hat dafür Sorge zu tragen, dass die Eisenbahnverwaltungen die Bahnen jederzeit
in einem die nötige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten und dieselben mit
Betriebsmaterial so ausrüsten, wie das Verkehrsbedürfnis es erheischt.
Artikel 44.
Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, die für den durchgehenden Verkehr und
zur Herstellung ineinander greifender Fahrpläne nötigen Personenzüge nut entsprechender
Fahrgeschwindigkeit, desgleichen die zur Bewältigung des Güterverkehrs nötigen Güterzüge
einzuführen, auch direkte Expeditionen im Personen- und Güterverkehr, unter Gestattung
des Teberganges der Transportmittel von einer Bahn auf die andere, gegen die übliche Ver-
gütung einzurichten.
Artikel #.
Dem Reiche steht die Kontrolle über das Tarifwesen zu. Dasselbe wird namentlich da-
hin wirken:
1) dass baldigst auf allen deutschen Eisenbahnen übereinstimmende Betriebsreglements
eingeführt werden;
2) dass die möglichste Gleichmässigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt, insbeson-
dere, dass bei grösseren Entfernungen für den Transport von Kohlen, Koaks, Holz,
Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen ein
dem Bedürfnis der Landwirtschaft und Industrie entsprechender ermässigter Tarif,
und zwar zunächst tunlichst der Einpfennig-Tarif, eingeführt werde.
Artikel 46.
Bei eintretenden Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens-
mittel, sind die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, für den Transport, namentlich von
Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und Kartoffeln, zeitweise einen dem Bedürfnisse entsprechen-
den, von dem Kaiser auf Vorschlag des betreffenden Bundesrats-Ausschusses festzustellen-