Anhang: Ill. Die Verfassung des Reichslands. 475
Im Etatsentwurfe nicht vorgesehene Ausgaben oder Erhöhungen von Ausgabeposten über
den Betrag der von der Landesregierung vorgeschlagenen Summe können von der zweiten
Kammer ohne Zustimmung der Regierung in den Etat nicht eingesetzt werden.
Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur erhoben werden, soweit sie in den
Haushalts-Etat aufgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet sind. Nach dem
Ablauf eines Etatsjahres bleibt die Landesregierung bis zum Inkrafttreten des neuen Etats-
gesetzes eimächtigt, Schatzanweisungen auszugeben, soweit die Einnahmen aus den auf be-
sonderen Gesetzen beruhenden Steuern und Abgaben nicht ausreichen, um die rechtlich be-
gründeten Verpflichtungen der Landeskasse zu erfüllen, Bauten, die auf Girund eines dem
Landtag vorgelegten und von ihm genehmigten Bauanschlags ausgeführt werden, fortzu-
setzen und die gesetzlich bestehenden Einrichtungen zu erhalten und fortzuführen.
$ 6 betrifft die Zusainmensetzung der ersten Kammer. Siehe oben S. 192.
$ 7. Die zweite Kanımer geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Ab-
stimmung nach Massgabe eines Wahlgesetzes hervor.
$ 8. Die Abgeordneten der zweiten Kanmer werden in Zeiträumen von fünf Jahren
neu gewählt.
Die allgemeinen Wahlen finden gleichzeitig für sämtliche Abgeordnete an einen Tage
statt, der durch Verordnung des Statthalters festgesetzt und ım Gesetzbl. f. Els.-Lothr.
bekannt gemacht wird.
Die Eigenschaft als Abgeordneter erlischt, wenn seit dem Tage der allgemeinen Wahlen
fünf Jahre verflossen sind.
$ 9. Teeber Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahlen der Landtagsmitglieder ent-
scheidet der oberste Verwaltungsgerichtshof, bis zu seiner Errichtung ein Senat des Ober-
landesgerichts.
Zur Erhebung des Einspruchs ist jeder Wahlberechtigte befugt, der an der betreffenden
Wahl teilnehmen durfte, bei Wahlen zur zweiten Kammer auch jeder Wählbare, der bei der
Wahl Stimmen auf sich veremigt hat. Der Einspruch ist binnen vierzehn Tagen nach der
amtlichen Feststellung des Wahlergebnisses bei den in Abs. 1 bezeichneten Grericht einzulegen
und zu rechtfertigen.
Jeder Kammer sind die abgeschlossenen Akten über die Wahl ihrer Mitglieder vorzulegen.
Entstehen Zweifel darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Mitgliedschaft vor-
handen sind, so entscheidet das im Abs. 1 bezeichnete Gericht auf Verlangen der Kammer,
der das Mitglied angehört.
$ 10. Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den Landtag.
Wenn ein Mitglied der zweiten Kammer ein besoldetes Reichs- oder Staatsamt annimmt
oder im Reichs- oder Staatsdienst in ein Amt eintritt, mit dem ein höherer Rang oder ein
höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme und kann beides nur durch
eine neue Wahl wieder erlangen.
$ 11. Dem Kaiser steht es zu, die Kammern zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen, zu
schliessen und aufzulösen.
Beide Kammern werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschlossen.
Die Berufung des Landtags findet alljährlich statt.
Die Auflösung nur einer Kammer hat für die andere den Schluss der Sitzungsperiode
zur Folge.
$ 12. Ohne Zustimmung des Landtags darf dessen Vertagung die Frist von 30 Tagen
nicht übersteigen und während derselben Sitzungsperiode nicht wiederholt werden.