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Auf logisch= und ästhetisch-richtiges Lesen und Vortragen prosaischer und poetischer Stücke
ist durch alle Classen großes Gewicht zu legen. Zu letzterem Zwecke sind Gedichte und aus-
gewählte Stellen aus den gelesenen und erklärten Classikern von den Schülern zu memoriren.
Freie Vorträge über geeignete Themata, auf Grund schriftlicher Vorbereitung, bilden einen
regelmäßigen Bestandtheil des deutschen Sprachunterrichts.
Als schriftliche Arbeiten sind theils Uebersichten gelesener Abschnitte der classischen Schrift-
sieller, theils Aufsätze über Themata, die dem Ideenkreise der Schüler angemessen sind, auf-
zugeben.
In den beiden unteren Gymnasialclassen ist dabei die Anleitung zum richtigen Disponiren
und die Topik der Chrie insbesondere ins Auge zu fassen. In den beiden oberen Gymnasial-
classen werden Aufsätze von größerem Umfange gefordert, die Disponirübungen fortgesetzt und
damit weitere rhetorische Erörterungen verbunden.
Ein historischer Ueberblick der deutschen Literatur wird in den beiden oberen Gymnasial-
classen gegeben und zwar in der III. Classe die alt= und mittelhochdeutsche, in der IV. Classe
die neuhochdeutsche Periode behandelt.
Dabei ist es nicht darauf abgesehen, daß die Schüler mit einer erschöpfenden Vollstän-
digkeit über alle Schriftsteller und deren Werke belehrt werden. Vielmehr soll denselben nur
der Entwicklungsgang der deutschen Literatur und der Charakter der einzelnen Epochen an
geeigneten Musterstellen zur lebendigen Anschauung gebracht werden. Zu diesem Zwecke sollen
in der III. Classe unter Benützung einer kurzen Grammatik der mittelhochdeutschen Sprache
ausgewählte Stücke aus den vorzüglichsten Werken mittelalterlicher Dichtung (Nibelungenlied,
Walther von der Vogelweide) gelesen und erklärt werden.
In der IV. Classe schließt sich dem deutschen Unterricht ein propädeutischer Vortrag über
die Hauptthatsachen der empirischen Psychologie und über die wichtigsten Lehren der formalen
Logik an.
§. 10.
Lateinische Sprache.
Der Unterricht in der lateinischen Sprache umfaßt:
in der 1. Classe der Lateinschule die regelmäßige Declination des Substantivums
und Adjectivums (Genusregeln, Comparation), das Verbum sum und die erste Conjugation,
die Zahlwörter (cardinalia und ordinalia), die Präpositionen und die zur Bildung einfacher
Säße nothwendigsten Pronominalformen;
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