Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

$ 12 Der Reichstag. 77 
  
welche ebenfalls räumlich abgegrenzt sein müssen; die Abgrenzung dieser 
Bezirke ist den Behörden der Einzelstaaten überlassen; in der Regel soll 
aber jede Ortschaft einen Wahlbezirk für sich bilden ?). 
6. Dass Wahlverfahren. Die Anordnung der Wahlen und die 
Festsetzung des Tages, an welchem sie vorzunehmen sind, erfolgt durch kaiser- 
liche Verordnung ?). Die Wahlen sind allgemeine (RV. Art. 20), d. h. der 
Regel nach im ganzen Bundesgebiete an demselben Tage vorzunehmen; par- 
tielle Wahlen (Ersatzwahlen) finden nur statt, wenn der Gewählte ablehnt, 
wenn der Reichstag die Wahl für ungültig erklärt und wenn ein Abgeordneter 
während des Laufes der Legislaturperiode aus dem Reichstage ausscheidet. 
Für jeden Wahlbezirk ist von dem Gemeinde- oder Ortsvorstande eine Wähler- 
liste anzufertigen ?), welche spätestens 4 Wochen vor dem zur Wahl bestimm- 
ten Tage während eines Zeitraumes von mindestens 8 Tagen zu jedermanns 
Einsicht auszulegen ist. Erinnerungen gegen die Richtigkeit der Wählerliste 
können von jedem erhoben werden und sind von den in der Anlage D. zum 
Wahlreglement bezeichneten Behörden zu erledigen. In jedem Wahlbezirk ist 
ein Wahlvorsteher und ein Stellvertreter desselben zu ernennen; der Wahl- 
vorsteher bestellt aus der Zahl der Wähler seines Bezirkes einen Protokoll- 
führer und 3 bis 6 Beisitzer. Aus diesen Personen wird der ‚Wahlvorstand“ 
konstituiert ®). 
Die Wahl erfolgt durch geheime Abstimmung, d. h. durch Stimm- 
zettel, welche uneröffnet in eine Urne gelegt werden 5). Das Wahlrecht muss 
in Person ausgeübt werden; Abwesende können weder durch Stellvertreter 
noch in irgend einer anderen Art an der Wahl teilnehmen. Die Stimmzettel 
müssen von weissem Papier sein und dürfen mit keinem äusseren Kennzeichen 
versehen sein. Gedruckte Stimmzettel gelten nicht als Druckschriften im 
Sinne der Reichs- und Landesgesetze ®). Die Wahlhandlung beginnt um 10 Uhr 
vormittags und wird um 7 Uhr nachmittags geschlossen; darauf wird das Re- 
sultat der Stimmabgabe im Wahlbezirke vom Wahlvorstand festgestellt. Die 
Wahlvorsteher haben die Wahlprotokolle und sämtliche dazu gehörige Schrift- 
stücke an den Wahlkommissar zu senden, der für jeden Wahlkreis von der 
Verwaltungsbehörde zu bestellen ist. Am 4. Tage nach dem Wahltermin ist 
das Resultat der Wahl für den Wahlkreis in öffentlicher Verhandlung fest- 
zustellen, zu verkündigen und in den zu amtlichen Publikationen dienenden 
Blättern bekannt zu machen ?). 
Die Wahl erfolgt durch absolute Mehrheit aller in einem Wahlkreise ab- 
gegebenen Stimmen; hat sich eine solche nicht ergeben, so findet unter den 
1) Wahlges. $ 6. Weahlreglement $ 6. 7. 
2) Wahlges. $ 14. Woahlregl. $ 9. — Vgl. auch Reichsverf. Art. 25. 
3) Wahlges. $ 8. 
4) Wahlregl. $ 10. 12. 
5) RV. Art. 20. Wahlregl. $$ 13 ff. Zur Sicherung des Wahlgeheimnisses hat das 
Wahlregl. v. 28. April 1903 $ 11 u. 15 besondere Sicherungsmassregeln vorgeschrieben ; 
namentlich abgestempelte Umschläge, in welche der Stimmzettel in einem Nebenraum 
oder an einem Nebentisch gesteckt werden kann. (Sogen. Klosettgesetz.) 
6) Reichsges. v. 12. März 1884 (RGBl. 8. 17). 
7) Wahlregl. $$ 25 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.