80 Vierter Abschnitt: Die Organisation des Reiches. $ 12
durch das Los gebildeten sieben Abteilungen des Reichstages statt, an welche
die einzelnen Wahlakten durch das Los verteilt werden. Die Abteilung hat
die Wahlverhandlungen an die, in jeder Session für die Dauer derselben zu
wählende Wahlprüfungs-Kommission abzugeben, wenn eine Wahlanfechtung
vorliegt, oder die Gültigkeit der Wahl durch einen Mehrheitsbeschluss der Ab-
teilung für zweifelhaft erklärt wird, oder wenn 10 anwesende Mitglieder der
Abteilung ein speziell zu begründendes Bedenken erheben. Findet die Ab-
teilung sonstige erhebliche Ausstellungen, so ist an den Reichstag Bericht
zu erstatten. In anderen Fällen werden die Wahlen, welche in den Abteilungen
geprüft sind, vom Präsidenten nachrichtlich zur Kenntnis des Hauses gebracht.
Bis zur Ungültigkeitserklärung hat der Gewählte Sitz und Stimme im Reichs-
tage. Ein bestimmter Termin, bis zu welchem die Entscheidung über die
Wahl erfolgt sein müsse, ist nicht vorgeschrieben. Der Reichstag hat nur die
„Legitimation“ der Reichstagsmitglieder zu prüfen; er kann daher zwar
eine Wahl für ungültig erklären, aber nicht zugleich einen anderen als gültig
gewählt anerkennen; es muss eine Neuwahl stattfinden. Vor der definitiven
Entscheidung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Wahl kann der
Reichstag sie beanstanden und die Ermittlung von Tatsachen und Beweis-
erhebungen beschliessen. Das Gesuch, diese zu bewirken, ist an den Reichs-
kanzler zu richten !).
8. Die Reichstags-Mitgliedschaft erlischt durch Ablauf der Legis-
latur-Periode, welche 5 Jahre dauert ?), und durch Auflösung des Reichstags
während der Legislatur-Periode. RV. Art. 24. Die Legislaturperiode beginnt
mit dem Tage der allgemeinen Wahlen ?). Es ist ferner das freiwillige Aus-
scheiden (die sogen. Mandats-Niederlegung) den Mitgliedern jederzeit gestattet.
Wenn ein Mitglied des Reichstages ein besoldetes Reichsamt oder in einem
Bundesstaate ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Reichs- oder Staats-
dienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres
Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in dem Reichstage
und kann seine Stelle in demselben nur durch eine neue Wahl wieder er-
langen. RV. Art. 21 Abs. 2°). Die Entscheidung darüber, ob ein solcher
Fall vorliegt, steht dem Reichstage allein zu. Die Entziehung der Mitglied-
schaft zur Strafe kann nach dem Staatsrecht des Deutschen Reiches nicht
1) Das Verfahren ist für die Reichstagswahlen ganz ungeregelt; es fehlt an einer
Bestimmung, ob die Polizeibehörden oder die Gerichte die Ermittelung vorzunehmen
haben, wer zu vernehmen ist, ob die vernommenen Personen zur Beeidigung ihrer Aus-
sage verpflichtet sind usw. Für die Wahlen zum preuss. Abgeordn. Hause enthält
der Bericht der Wahlprüfungskommission, Drucksachen 1911 Nr. 751 sehr beachtens-
werte Erörterungen; auf die Wahlen zum Reichstage, namentlich in den nichtpreussi-
schen Woahlkreisen sind sie aber nicht anwendbar.
2) Nach dem ursprünglichen Wortlaut des Art. 24 der RV. dauerte sie drei Jahre;
das Reichsges. v. 10. März 1888 (RGBil. S. 110) hat sie auf 5 Jahre verlängert.
3) Siehe meinen Aufsatz in der DJZ. 1902 S. 489 fg. K. Perels im Arch. f.
öff. R. Bd. 19 S. 1ff. (1904). Dies ist die allgemein herrschende Ansicht. Zahlreiche
Literaturnachweise bei G.M ey er$130 Note3. Eine abweichende MeinunghatArndt
mehrmals, insbesondere in Hirths Annalen 1903 S. 734 ff., mit unhaltbaren, von Pe-
n els a. & O. treffend widerlegten Gründen vertreten. Vgl. auch Zorn DJZ. 1011
p. 668.
4) Vgl. hierzu Seydel 8. 398 fg.