8 28. Die Staatenrechte im Bundesrate. 253
Bundesratsausschusses für die auswärtigen Ange-
jJegenheiten.
Dieser Ausschuß ist geschaffen worden durch den bayerischen
Vertrag vom 23. November 1870, Art. 2, 86, und sollte nach dem-
selben aus den Bevollmächtigten der Königreiche Bayern, Sachsen und
Württemberg unter dem Vorsitze Bayerns bestehen. Bei der Redaktion
der Reichsverfassung wurde er aber verstärkt durch zwei vom Bundes-
rate alljährlich zu wählende Bevollmächtigte anderer Bundesstaaten ').
Dieser Ausschuß ist durchaus verschieden von den übrigen durch
die norddeutsche Bundesverfassung bereits vorgesehenen Bundesrats-
ausschüssen und entspricht einer ganz anderen Funktion des Bundes-
rates wie die letzteren, obwohl er im Art. 8 der Reichsverfassung neben
denselben Platz gefunden hat. In allen, den übrigen Ausschüssen zu-
gewiesenen Funktionen erscheint der Bundesrat durchweg als ein Organ
des Reiches, als ein Teil des Regierungsapparates des Reiches; in
dem Ausschusse für die auswärtigen Angelegenheiten dagegen als ein
Kommunikationsmittel der Einzelstaaten. Dieser Ausschuß hat
nichts zu tun mit der Instruierung der diplomatischen Geschäftsträger,
mit dem Abschluß internationaler Verträge, mit der Leitung der aus-
wärtigen Angelegenheiten; er kann nicht namens des Reiches beschließen
oder Beschlüsse des Bundesrates in auswärtigen Angelegenheiten vor-
bereiten. Er ist nur dazu da, um Mitteilungen über die auswärtigen
Beziehungen des Reiches zu empfangen und die Ansichten der Regie-
rungen über diese Mitteilungen auszutauschen; er dient lediglich zur
Information der Bundesregierungen über den Stand der auswärtigen
Politik und zur Diskussion dieser Politik, ihrer Zielpunkte und Wege ?).
Daraus erklärt es sich, daß in diesem Ausschusse, und zwar nur
in diesem, Preußen nicht vertreten ist, da eine Informierung des Kaisers
über den Stand der auswärtigen Politik, deren oberste Leitung ihm
selbst zusteht, widersinnig wäre?).
1) In den Motiven (I. Sess. 1871, Drucks. 4) wird darüber bemerkt, daß diese
Bestimmung auf den Wunsch mehrerer Bundesstaaten unter voller Zustimmung der
beiden Kontrahenten des Vertrages vom 23. November getroffen worden sei.
2) Staatsmin. Delbrück im Nordd. Reichstag 1870, II. außerord. Session. Sten.
Ber. S. 140. '
3) Es ist im Nordd. Reichstage bei der Diskussion über den bayerischen Vertrag
von dem Abgeordneten Lasker die Frage angeregt worden, ob der Vorsitzende
dieses Ausschusses berechtigt sei, ihn außerhalb Berlins zusammentreten zu lassen.
Darauf erwiderte Staatsminister Delbrück, er glaube, daß aus der Verfassung
selbst unzweifelhaft folge, daß der Ausschuß einer Körperschaft, deren Berufung dem
Präsidium zusteht, nur an dem Orte tagen kann, wo die Körperschaft tagt (Stenogr.
Ber. a. a. O. S. 141). „Unzweifelhaft“ dürfte dies wohl nicht sein. Dagegen ergibt
sich aus der tatsächlichen Bedeutung dieses Ausschusses, daß er an keinem Orte In-
formationen über die auswärtige Politik des Reiches erhalten kann, als da, wo der
Reichskanzler in der Lage und willens ist, ihm dieselben zu geben, und daß ebenso-
wenig eine Diskussion dieser Politik in Abwesenheit des Reichskanzlers auf denselben
Eindruck zu machen imstande ist. Daß aber gerade nur Berlin der Versammlungsort