Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

436 8 44. Der Begriff der Reichsbeamten. 
stellungen des Staatsrechts ein großes Gewicht gelegt wird'!), ist aber 
gänzlich unpraktisch. Die im Staatsdienste angestellten Per- 
sonen, welche die Domänen und Forsten, die Eisenbahnen und Berg- 
werke, die Magazine und industriellen Etablissements des Staates ver- 
walten, welche an den Universitäten und Gymnasien Unterricht er- 
teilen, oder welche als Gesandte den diplomatischen Dienst leisten, 
sind nicht weniger als Staatsbeamte zu erachten, wie Polizeibeamte 
und Richter’). 
Sodann macht es für den Beamtenbegriff keinen Unterschied, ob 
die Dienste höherer oder niederer Art sind, d. h. ob sie verbunden 
sind mit einer Dekretur, mit der Fällung von Entscheidungen und 
dem Erlaß von Verfügungen, oder ob sie lediglich in der Ausführung 
von dienstlichen Befehlen bestehen. Von Wichtigkeit kann dies sein 
für die Klassifizierung der Beamten und für das Maß von Rechten, 
welches dem Beamten zukommt; denn es ist selbstverständlich, daß 
keineswegs alle Beamte dieselbe rechtliche Stellung dem Staate gegen- 
über haben. Aber für den Begriff der Staatsbeamten ist es uner- 
heblich, von welcher Gattung die Geschäfte sind, welche der Staat 
verlangt. Auch die Boten, Heizer, Portiers und Kastellane in den 
Dienstgebäuden des Staates sind Staatsbeamte, wenngleich sie als Un- 
terbeamte »eine besondere Klasse derselben bilden«, wofern sie nur 
angestellt sind«, d. h. nicht in einem privatrechtlichen Mietsverhält- 
nis zum Fiskus stehen ?). Für das Reichsrecht ist es durch das durch 
1) Unter den neuesten Bearbeitern namentlich von Zorn ], S. 294 fg. Er meint, 
daß es sich bei den Funktionen des Beamten immer um Ausübung staatlicher Ho- 
heitsrechte handle, und daß auch die vom Beamten geleisteten technischen Dienste 
„begrifflich obrigkeitliche“ sind. Einen vernünftigen Sinn vermag ich diesen Behaup- 
tungen nicht abzugewinnen, auch nicht nach den Bemerkungen in der zweiten Auf- 
lage a. a. O. Note 21. Die zahllosen Schreiber, Kalkulatoren, Registratoren, Revisoren, 
Rendanten, die nicht minder zahllosen Beamten, welche naturwissenschaftliche, histo- 
rische, artistische, bautechnische, statistische und andere Arbeiten machen, die Lehrer 
aller Ordnungen u. s. w. haben zwar im Gegensatz zu den freien Gewerbetreibenden 
„amtliche“ oder „staatsdienstliche“ Verrichtungen. aber keine „obrigkeitlichen“. In 
das entgegengesetzte Extrem verfällt Jellinek S. 224: „Nur die befehlende, ord- 
nende, leitende Tätigkeit in der Behörde und der Anstalt ist staatlicher Art. 
Wissenschaftliche, künstlerische, technische Verrichtungen bleiben Aktionen der 
Individuen, die vom Staate zwar angeordnet, aber nicht vollzogen werden kön- 
nen. Nur daß, nicht wie sie stattfinden, ist staatliches Werk.“ Verhält sich dies 
mit obrigkeitlichen Handlungen anders? Kann denn der Staat überhaupt irgend eine 
Handlung vollziehen „ohne Aktionen der Individuen“? Jellinek bemerkt selbst 
gleich darauf, daß wenn man sich die Staatsorgane wegdenkt, auch die Vorstellung 
des Staates selbst verschwunden ist. 
2) Richtig Zöpfl IL, 8 513, Note 3; G. Meyer, Staatsrecht 8 143, Note 6 und 
die dort Zitierten. Das Reichsbeamtengesetz macht keinen Unterschied 
zwischen Beamten mit obrigkeitlichen Funktionen und solchen mit technischen oder 
wirtschaftlichen Funktionen. 
3) Die Tatsache, daß das Unterpersonal der Behörden sehr häufig nur nach Art 
der Dienstboten gemietet wird, sowie daß die Rechte, welche die Staatsdienergesetze 
der Einzelstaaten den Staatsbeamten zusichern, meistens nur den höheren Beamten
	        
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