442 8 44. Der Begriff der Reichsbeamten.
Das Dienstverhältnis des Staatsbeamten beruht auf einem Vertrage,
durch welchen, ganz ähnlich wie bei der alten Kommendation, der
Beamte sich dem Staate »hingibt«, eine besondere Dienstpflicht
und Treue übernimmt, eine besondere Ergebenheit und einen
besonderen Gehorsam angelobt, und durch welchen der Staat
dieses Versprechen sowie das ihm angebotene besondere Gewaltverhält-
nis annimmt und dem Beamten dafür Schutz und gewöhnlich auch
Lebensunterhalt zusichert ').
Von der lehnrechtlichen Kommendation und anderen analogen
Verträgen des Privatrechts unterscheidet sich der Eintritt in den Staats-
dienst aber durch Bestimmung und Zweck der versprochenen Dienste.
Der Staatsbeamte verspricht Dienste nicht im Privatinteresse irgend
eines Herrn und zur Förderung der individuellen Vorteile desselben,
sondern er gelobt seine Dienste zur Förderung und Durchführung
staatlicher Aufgaben, zum Wohle des allgemeinen Besten. Nicht
ohne Grund beginnt das preuß. Allgem. Landr. TI. II, Tit. 10, $ 1 die
Regelung des Staatsdienerrechts mit dem Satze:
»Militär- und Zivilbediente sind vorzüglich bestimmt, die Sicher-
heit, die gute Ordnung und den Wohlstand des Staates unter-
halten und befördern zu helfen.«
Aber nicht nur objektiv oder passiv sind sie hierzu bestimmt,
sondern sie haben sich selbst durch eigenen Entschluß dazu be-
stimmt. Sie haben sich dem Staate freiwillig angeboten, ihm zur För-
derung seines Wohlstandes zu helfen. Die Dienste derselben empfangen
daher nach Inhalt und Umfang ihre Regelung durch das Interesse und
durch die Rechtsordnung des Staates, nicht durch kontraktmäßige
Fixierung und andererseits nicht durch individuelles Belieben und
S. 652 fg. wieder entdeckt hat. Die richtige Charakterisierung des Anstellungsver-
trages findet sich sodann bei Seydel, Grundzüge einer allgemeinen Staatslehre,
Würzburg 1873, S. 95 ff. Seit dem Erscheinen der ersten Auflage des vorliegenden
Werkes (1876) hat dann der Satz, daß die Anstellung im Staatsdienst durchaus nicht
gleichbedeutend mit der Uebertragung eines Staatsamtes sei, zahlreiche Anhänger
gefunden; z.B. Gareis, Allgemeines Staatsrecht $ 64; Gaupp, Württemb. Staats-
recht $ 29; Löning, Verwaltungsrecht $ 25fg.; Haarseima.a. O.;, Jellinek
S.179fg. u.a. Am sorgfältigsten durchgeführt ist dieser Gesichtspunkt in der zitier-
ten Monographie von Rehm; vgl. besonders Annalen 1885, S. 160 ff. Derselbe nennt
daher denjenigen, welcher ein Staatsamt führt (gleichviel aus welchem Rechtsgrunde)
einen Staatsbeamten; dagegen denjenigen, welcher sich zur Leistung von amt-
lichen Diensten verpflichtet hat (gleichviel ob seine Dienste wirklich verwendet: wer-
den oder nicht) einen Staatsdiener. Diese Unterscheidung würde sehr zweckmäßig
und zur Vermeidung von Irrtümern geeignet sein, wenn sie dem allgemeinen Sprach-
gebrauch und der Terminologie der Gesetze entspräche. Dies ist aber infolge der
Unklarheiten, welche über diesen Gegenstand bis in die neueste Zeit geherrscht ha-
ben, leider nicht der Fall. Im Gegensatz zu der hier entwickelten Unterscheidung
beruhen die Darstellungen von Schulze ], $128ff. und namentlich von Zorn $ 10
auf einer weitgehenden Verwirrung zwischen dem Amtsverhältnis und dem Dienst
verhältnis.
1) Uebereinstimmend PieperS. 7ft.