Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

478 8 48. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. 
troffen, ob der Beamte nur den positiven Schaden (damnum emergens) 
oder das volle Interesse zu ersetzen hat; ob er nur für die unmittel- 
baren oder auch für die mittelbaren Folgen seiner Handlung oder 
Unterlassung einstehen muß; ob und inwieweit er durch ein konkur- 
rierendes Versehen des Beschädigten befreit wird; wann die Klage auf 
Schadensersatz verjährt; ob der Beamte nur subsidiär oder direkt 
haftet; ob Mitglieder kollegialischer Behörden solidarisch oder pro 
rata haften u. s. w. In allen diesen Beziehungen kommen daher 
ebenfalls die Grundsätze des Zivilrechts, also jetzt des Bürgerlichen 
Gesetzbuches zur Anwendung !). 
d) Das Reichsbeamtengesetz macht keinen Unterschied, ob der 
Reichsbeamte durch sein Verhalten den Reichsfiskus oder einen Dritten 
geschädigt hat; die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches kommen 
daher auch für das Verhältnis des Reichsbeamten zum Reichsfiskus 
zur Anwendung. 
e) Das Reichsgesetz bestimmt im $& 154, daß bei vermögensrecht- 
lichen Ansprüchen gegen Reichsbeamte sowohl dasjenige Gericht zu- 
ständig ist, in dessen Bezirk der Beamte zur Zeit der Verletzung seiner 
Amtspflicht seinen Wohnsitz hatte, als dasjenige, in dessen Bezirk der- 
selbe zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat. In letzter 
Instanz entscheidet das Reichsgericht ?). 
Alle diese Bestimmungen des $ 154 sind aber nur gegeben für 
Rechtsstreitigkeiten über Vermögensansprüche gegen Reichsbeamte 
»wegen Ueberschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder pflicht- 
widriger Unterlassung von Amtshandlungen«. 
Nach diesem Wortlaut treten demnach die Regeln des $ 154 und 
namentlich die Zuständigkeit des Reichsgerichts nur ein, wenn die 
Klage gestützt ist entweder auf eine gesetzwidrige Handlung 
(Kompetenzüberschreitung) oder aufeine pflichtwidrige Unter- 
lassung; dagegen wird der Fall nicht mit eingeschlossen, wenn der 
Beamte innerhalb seiner amtlichen Befugnisse, also ohne Verletzung 
des Gesetzes, aber mit Verletzung der erforderlichen Sorgfalt ge- 
1) Dagegen sind auf Reichsbeamte unanwendbar die Vorschriften über Er- 
hebung des Kompetenzkonfliktes, also namentlich die Vorschriften des preußischen 
Gesetzes vom 13. Februar 1854, sowie alle diejenigen Vorschriften der Landesgesetze, 
welche die gerichtliche Verfolgung von Beamten von einer Vorentscheidung abhängig 
machen. Vgl. Thudichum, Annalen 1876, S.277; Stengel ebenda S. 901; Förtsch 
a.2.0.8.489fg.; Freund S.391 ff.; Lippmann, Annalen 1885, S.456; G. Meyer 
8 183; besonders das Urteil des preuß. Oberverwaltungsgerichts vom 
24. Januar 1885 bei Reger, Entscheidungen VI, S. 103fg. (Daselbst noch weitere 
Literaturangaben.) 
2) Das Reichsgericht ist in Prozessen dieser Art auch dann zuständig, wenn der 
verklagte Reichsbeamte seinen Wohnsitz in Bayern hat. Einführungsgesetz zum Ge- 
richtsverfassungsgesetz & 8, Abs. 2. (Vgl. unten die Darstellung des Gerichtswesens 
in Bd. 3.) In erster Instanz sind die Landgerichte ausschließlich zuständig, 
Gerichtsverfassungsgesetz 8 70, Ziff. 2; die Revision findet statt ohne Rücksicht auf 
den Wert des Beschwerdegegenstandes. Zivilprozeßordnung $ 547, Ziff. 2.
	        
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