210 8 66. Reichsverwaltung und Staatsverwaltung.
kanzler keine Verantwortlichkeit treffen für Handlungen, welche er
weder zu befehlen noch zu verbieten imstande ist, andererseits be-
schränkt sich die Verantwortlichkeit der Minister der Einzelstaaten
nicht auf die Beobachtung der Landesgesetze, sondern sie bezieht sich
auf die geltenden Gesetze überhaupt, also in erster Reihe gerade auf
die den Landesgesetzen vorgehenden Reichsgesetze.
Il. Die unmittelbare Reichsverwaltung.
Die für die unmittelbare Reichsverwaltung geltenden allgemeinen
Regeln ergeben sich aus der Vergleichung mit den für die aufsicht-
führende Verwaltung entwickelten Grundsätzen von selbst.
1. Das Reich hat die Befugnis zur Gesetzgebung und kann dem-
gemäß unter Benutzung der Gesetzesform der Verwaltungstätigkeit der
Behörden bestimmte Aufgaben zuweisen, Handlungen vorschreiben
usw., mit einem Worte die obersten Verwaltungsbefehle erteilen.
2. Das Reich hat ferner die Befugnis, allgemeine Verwaltungsvor-
schriften zu erlassen und Einrichtungen zum Zweck der Verwaltungstä-
tigkeit zu treffen. Dieselben Regeln, welche oben über die Verwal-
tungsverordnungen des Bundesrates ausgeführt worden sind,
finden auch hier vollkommene Anwendung.
3. Das Reich hat die Befugnis, die erforderlichen obrigkeit-
lichen Verfügungen zu erlassen. Sofern dieselben innerhalb
der den Reichsbehörden zustehenden Kompetenz ergangen sind, haben
sowohl die Behörden der Einzelstaaten wie die einzelnen Angehörigen
des Reiches die Pflicht, ihnen Gehorsam zu leisten. Die von den
Reichsbehörden im Betriebe ihrer Verwaltungsgeschäfte abgeschlossenen
Verträge berechtigen und verpflichten den Reichsfiskus. Alle mit
der Verwaltungstätigkeit verbundenen Ausgaben und Einnahmen er-
folgen für Rechnung des Reiches und unterliegen der Prüfung des
Rechnungshofes.
4. Die Leitung der amtlichen Tätigkeit der Verwaltungsbehörden
steht dem Reichskanzler und den ihm unterstellten Zentralbehörden
des Reiches zu. Die unmittelbar ausführenden Behörden sind den
dienstlichen Befehlen und Verwaltungsvorschriften (leitenden
Verfügungen) der vorgesetzten Behörden, wofern sie innerhalb
der Kompetenz derselben erlassen sind, Gehorsam schuldig. Die Ver-
antwortlichkeit für die Geschäftsführung der Reichsverwaltungsbehör-
den lastet deshalb auf dem Reichskanzler. Für die einzelnen Ver-
waltungszweige können verantwortliche Stellvertreter des Reichskanz-
lers ernannt werden (siehe Bd. 1, S. 385 ff.).