102 8 73. Das Post- und Telegraphenwesen.
Haft an die Stelle. Die Dauer derselben muß vom Richter fest-
gesetzt werden und darf 6 Wochen nicht übersteigen '). Die Festsetzung
und Beitreibung der Geldstrafen aber kann anstatt durch gericht-
liches Verfahren im Verwaltungswege nach folgenden Regeln
erfolgen ?).
1. Strafverfügung ohne Untersuchung?) Nach Ent-
deckung einer Postdefraudation hat die Oberpostdirektion mittelst be-
sonderer Verfügung dem Angeschuldigten mitzuteilen, welche Geld-
strafe er verwirkt habe, und ihm freizustellen, das fernere Verfahren
und die Erteilung eines Strafbescheides durch Bezahlung der Strafe
und Kosten innerhalb einer präklusivischen Frist von 10 Tagen zu ver-
meiden *. Wenn der Angeschuldigte die Zahlung ohne Einrede, d.h.
ohne Vorbehalt der Rückforderung im Prozeßwege °) leistet, so gilt die
Verfügung als rechtskräftiger Strafbescheid, und das Verfahren ist be-
endet; im entgegengesetzten Falle ist eine Untersuchung erforderlich.
2. Strafbescheid nach erfolgter Untersuchung‘).
Die Untersuchung wird von den Postanstalten (Postämtern) oder Be-
zirksaufsichtsbeamten summarisch geführt”). Die Beteiligten werden
mündlich zu Protokoll verhört; die Zustellungen und Vorladungen
geschehen durch die Postanstalten oder auf deren Requisition nach
den für gerichtliche Zustellungen bestehenden Vorschriften; die Zeugen
sind verbunden, den Vorladungen Folge zu leisten, jedoch steht den
Postbehörden das Recht der Vereidigung von Zeugen nicht zu. In
Sachen, in denen die zu verhängende Geldstrafe den Betrag von 150
Mark übersteigt, ist dem Angeschuldigten auf Verlangen eine Frist von
8 Tagen bis zu 4 Wochen zur Einreichung einer schriftlichen Vertei-
digung zu gestatten.
1) Postgesetz 8 31. Auf Gefängnisstrafe darf nicht erkannt werden. Vgl. Mo-
tive S. 19; Dambach S. 214; MevesS. 38lfg.; Stenglein S. 29.
2) Die Vorschriften des Postgesetzes blieben durch das Inkrafttreten der Straf-
prozeßordnung unberührt. Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung $ 5,
Abs. 1.
3) Postgesetz $ 34. Vgl. StengleinS. 300fg.; AschenbornS. 257 ff.
4) Dieses Verfahren muß beobachtet werden, bevor eine Untersuchung im ad-
ministrativen oder im gerichtlichen Verfahren stattfinden darf; es ist nicht in das
Ermessen der Postbehörde gestellt. Vgl. Meves S.389, Nr.11; DambachS. 220.
Ausnahmefälle, in welchen vom Erlaß einer vorläufigen Strafverfügung Abstand ge-
nommen werden darf, führt Aschenborn S. 258fg. an.
5) Strenger interpretiert Dambach S. 222, Note 6 diesen Ausdruck. Allein
die bloße Beteuerung des zahlenden Defraudanten, daß er unschuldig sei, muß als
rechtlich unerheblich pro non scripto angesehen werden. Wenn der Defraudant der
Strafe sich unterwirft, kommt es auf die Feststellung seiner Schuld nicht an. Ueber-
einstimmend Stenglein S. 301 Ziff. 9, Aschenborn S. 264 Anm. 23.
6) Postgesetz $ 35—41.
7) Die Oberpostdirektionen sind nicht befugt, die Untersuchungen selbst zu
führen, sondern nur die Postanstalten oder die Aufsichtsbeamten auszuwählen, denen
die Führung der Untersuchungen aufgetragen wird. Meves S. 390.