176 $ 76. Das Münzwesen.
rechtes in einzelnen Teilen des Bundesgebietes Geldqualität hatten;
denn die Außerkurssetzung steht in keinem begrifflichen Zusammen-
hange mit der Prägung und Ausgabe von Münzen, sondern nur mit
ihrer Anerkennung als Geld. Dagegen ist aus demselben Grunde die
Außerkurssetzung ausländischer Münzen, welchen die Geldeigenschaft
im Inlande gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich überhaupt mangelt,
sinnlos.
Die Einziehung aller Landessilber münzen erfolgte auf Grund
des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873, Art. 4.
Der Bundesrat hat vom 1. April 1874 an sämtliche bis zum Inkraft-
treten des Gesetzes vom 4. Dezember 1871 geprägten Goldmünzen der
deutschen Bundesstaaften und sämtliche landesgesetzlich den inlän-
dischen Münzen gleichgestellten ausländischen G o | d münzen der Eigen-
schaft als gesetzliches Zahlungsmittel (Geld) entkleidet!). Er hat ferner
nach und nach fast alle anderen Münzsorten, welche in dem Reichs-
gebiet oder einzelnen Teilen desselben die Eigenschaft gesetzlicher
Zahlungsmittel hatten, außer Kurs gesetzt?). Das Münzgesetz von 1909,
814, Ziff. 1, hat die Befugnis des Bundesrats zur Außerkurssetzung auch
auf Reichs münzen erstreckt; es betrifft alle »einzuziehenden«
Münzen ?).
4. Von der Außerkurssetzung ist ganz verschieden das Verbot
des Umlaufes gewisser Münzen, d.h. das Verbot, sie in Zahlung
zu geben. Die Außerkurssetzung von Münzen hebt nur den Rechts-
satz auf, daß sie in Zahlung genommen werden müssen aber sie
stellt nicht das Verbot auf, daß sie nicht als Zahlungsmittel verwendet
werden dürfen. Münzen, die entweder niemals als Geld rechtlich
anerkannt waren oder denen diese Eigenschaft durch Außerkurssetzung
entzogen worden ist, können dessenungeachtet ein sehr beliebtes Zah-
lungsmittel sein; namentlich in den Grenzgebieten werden immer ge-
wisse Mengen von Münzen der Nachbarländer im Verkehr sich er-
halten. Im juristischen Sinne sind sie allerdings nicht Geld, sondern
Geldsurrogat; ihre Hingabe zur Tilgung einer Schuld ist nicht Zahlung
(solutio, sondern Hingabe an Zahlungsstatt (datio in solutum); ihre
Zurückweisung steht dem Gläubiger frei; aber tatsächlich fungieren sie
wie Geld. Aus Gründen der Volkswirtschaft oder Münzpolitik oder im
Interesse der Verkehrssicherheit kann es sich aber als notwendig er-
weisen, gewisse Münzen aus dem Verkehr ganz auszuschließen; in
diesem Falle wird das Verbot erlassen, sie in Zahlung zu geben.
1) Verordnung vom 6. Dezember 1873, $ 1. Reichsgesetzbl. S. 375.
2) Die betreffenden Verordnungen sind publiziert im Reichsgesetzbl. 1874, S. 21,
111, 149; 1875, S. 247, 304, 307, 311, 415; 1876, S. 162, 221; 1878, S.3; 1907, S. 401;
1908, S. 464 usw.
3) Vor dem Gesetz von 1909 war zur Außerkurssetzung von Reichsmünzen
ein Reichsgesetz erforderlich. Vgl. Reichsgesetz vom 1. Juni 1900, Art. 1 (Reichs-
gesetzbl. S. 250). Vgl. ferner über die Fünfzigpfennigstücke älteren Gepräges Reichs-
gesetzbl. 1908, S. 464 und 1911, S. 250.