Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 78. Die Gewerbepolizei. 229 
ausschuß. Dieser ist bei der Regelung des Lehrlingswesens und 
bei der Gesellenprüfung, sowie bei der Begründung und Verwaltung 
aller Einrichtungen zu beteiligen, für welche die Gesellen Beiträge ent- 
richten oder eine bestimmte Mühewaltung übernehmen oder welche 
zu ihrer Unterstützung bestimmt sind ($ 95)}). 
Die Voraussetzungen und die Form der Auflösung der Innung 
sind durch das Statut zu bestimmen ($83 Ziff. 14); die Schließung 
kann durch die höhere Verwaltungsbehörde in den im 8 97 bestimm- 
ten Fällen erfolgen ?). 
2. Die Zwangsinnungen. Ihre Errichtung ist nur für Han d- 
werker gestattet. Sie erfolgt seitens der höheren Verwaltungsbehörde 
auf Antrag von »Beteiligten« ;, der Antrag kann gestellt werden entwe- 
der von einer für das betreffende Handwerk bestehenden Innung 
oder von Handwerkern, welche zu einer neuen Innung zusammen- 
treten wollen. Der Bezirk der Innung ist so abzugrenzen, daß kein 
Mitglied durch die Entfernung seines Wohnortes vom Sitze der Innung 
behindert wird, an ihren Einrichtungen und am »Genossenschaftsleben« 
teilzunehmen. Der Antrag kann auch darauf gerichtet werden, daß 
der Beitrittszwang auf diejenigen Handwerker beschränkt wird, welche 
der Regel nach Gesellen und Lehrlinge halten. Die Zahl der im Be- 
zirk vorhandenen beteiligten Handwerker muß zur Bildung einer lei- 
stungsfähigen Innung ausreichen. Die Errichtung m u ß erfolgen, wenn 
die Mehrheit der beteiligten Handwerker der Einführung des Beitritts- 
zwanges zustimmt. Zu diesem Zweck hat die höhere Verwaltungsbe- 
hörde die beteiligten Gewerbetreibenden zu einer Aeußerung darüber 
aufzufordern;, bei der Abstimmung entscheidet die Mehrheit derjenigen, 
welche sich an derselben beteiligt haben ($ 100 a). Ohne Abstimmung 
kann der Antrag zurückgewiesen werden, wenn die Antragsteller einen 
verhältnismäßig nur kleinen Bruchteil der beteiligten Handwerker bil- 
den oder ein gleicher Antrag innerhalb der letzten drei Jahre bei einer 
Abstimmung abgelehnt worden ist, oder durch andere Einrichtungen 
als diejenige einer Innung für die Wahrnehmung der gemeinsamen 
Interessen der beteiligten Handwerke ausreichende Fürsorge getroffen 
ist ($ 100, Abs. 4). Dadurch ist den Landesbehörden die Befugnis ge- 
währt, die Errichtung von Zwangsinnungen da abzulehnen, wo erfolg- 
reich wirkende Gewerbevereine bestehen. Wird die Zwangsinnung er- 
richtet, so sind die für die gleichen Gewerbszweige im Bezirk bestehen- 
den Innungen zu schließen; ihr Vermögen geht auf die Zwangsinnung 
über ($ 100 b, Abs. 4; 8 100k 1g.). 
Dem Beitrittszwang unterliegen alle diejenigen, welche das 
Gewerbe, wofür die Innung errichtet ist, als stehendes Gewerbe selb- 
ständig betreiben; ausgenommen diejenigen, welche einen fabrikmäßi- 
1) Die näheren Bestimmungen sind durch das Statut festzusetzen. Ueber die 
Wahl des Gesellenausschusses siehe $ 95a fg. 
2) Ueber die Abwickelung der Geschäfte vgl. $ 98, 98a.
	        
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