Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 81. Die Medizinal- und Veterinärpolizei. 277 
Durch die sehr umfangreichen und eingehenden Bestimmungen dieses 
Vertrages ist die Uebereinkunft von 1897 ersetzt. 
Die Verwirklichung und Ueberwachung der in den genannten 
Verträgen hinsichtlich der Pilgerfahrten, vereinbarten Maßnahmen ist 
einem internationalen Komitee übertragen, welches aus dem Schoße 
des obersten Gesundheitsratsin Konstantinopel und De- 
legierten der Staaten gebildet wird). 
3. Das Reichsgesetz vom 30. Juni 1900, betreffend 
die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten 
(Reichsgesetzbl. 306) und die Ausführungsbestimmungen dazu vom 
21. Februar 1904 (Reichsgesetzbl. 67) ?). Das Gesetz bezieht sich auf 
Aussatz, asiatische Cholera, Flecktyphus, Gelbfieber, Pest und Pocken; 
läßt aber die landesrechtlichen Vorschriften über die Bekämpfung an- 
derer übertragbarer Krankheiten unberührt (8 48). Es begründet eine 
Anzeigepflicht für jede Erkrankung und jeden Todesfall an diesen 
Krankheiten, sowie für jeden Fall, welcher den Verdacht einer dieser 
Krankheiten erweckt. Die Anzeige ist unverzüglich der für den Auf- 
enthaltsort des Erkrankten oder den Sterbeort zuständigen Polizeibe- 
hörde zu erstatten ?). Die Polizeibehörde hat durch den zuständigen 
beamteten Arzt sofort Ermittelungen über die Art, den Stand und die 
Ursache der Krankheit vorzunehmen; insbesondere ob der Ausbruch 
der Krankheit festgestellt oder der Verdacht der Krankheit begründet 
ist; die höhere Verwaltungsbehörde kann Ermittelungen über jeden 
einzelnen Krankheits- oder Todesfall anordnen ®). Für Ortschaften 
und Bezirke, welche von einer gemeingefährlichen Krankheit befallen 
oder bedroht sind, kann angeordnet werden, daß jede Leiche vor der 
Bestattung einer amtlichen Besichtigung (Leichenschau) zu unterwerfen 
ist ($ 10. Zur Verhütung der Verbreitung der gemeingefährlichen 
Krankheiten können Schutzmaßregeln polizeilich angeordnet 
1) Die Zusammensetzung des obersten Gesundheitsrats in Konstantinopel und 
seine Befugnisse sind geregelt in der Uebereinkunft vom 3. Dezember 1903 Art. 165. 
Außerdem enthält die Uebereinkunft Bestimmungen über die Errichtung von Sani- 
tätsanstalten, ärztlichen Kommissionen, Lazaretten usw. an verschiedenen Orten. Für 
Aegypten kommen die besonderen Vorschriften in den Dekreten des Khedive zur 
Anwendung, welche der Uebereinkunft als Anlage beigefügt sind. Reichsgesetzbl. 
1907 S. 520 ff. 
2) Abänderungen sind erfolgt durch Beschluß vom 21. März 1907 (Reichsge- 
setzbl. S. 91) und vom 12. Juni 1913 (Reichsgesetzbl. S. 572). 
3) Die näheren Vorschriften, namentlich über die zur Anzeige verpflichteten Per- 
sonen, enthalten die 8$ 2—5 des Gesetzes. Ueber die Pflicht der Militär- und Poli- 
zeibehörden zu gegenseitigen Mitteilungen sind in der Bekanntmachung vom 28. Fe- 
bruar 1911 (Reichsgesetzbl. S. 63) vom Bundesrat Anordnungen erteilt worden. 
4) Gesetz 88 6—9. So lange die höhere Verwaltungsbehörde solche Anord- 
nungen nicht getroffen hat, soll der beamtete Arzt nach der ersten Feststellung der 
Krankheit Ermittelungen nur im Einverständnis mit der unteren Verwaltungsbehörde 
und nur insoweit vornehmen, als es erforderlich ist, um die Ausbreitung der Krank- 
heit zu verfolgen. $ 6, Abs. 3.
	        
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