Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

390 8 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 
der Beamte sich einer Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder der 
Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung schuldig gemacht 
habe'!). Fällt diese Vorentscheidung im verneinenden Sinne aus, so 
ist die Beschreitung des Rechtsweges sowohl im zivilprozessualischen 
als im strafprozessualischen Verfahren abgeschnitten; fällt die Vorent- 
scheidung bejahend aus, so hat dies keine weitere Wirkung, als daß 
eine Vorbedingung für die Eröffnung des Prozesses erfüllt ist; für das 
in diesem Prozesse urteilende Gericht ist jene Vorentscheidung nicht 
bindend. Um jedoch eine Bürgschaft zu geben, daß die Vorentschei- 
dung nicht nach Willkür gefällt und zur Versagung des Rechtsweges 
mißbraucht werde, hat das Reichsgesetz die Vorschrift erteilt, daß in 
den Bundesstaaten, in welchen ein oberster Verwaltungsgerichtshof 
besteht, die Vorentscheidung diesem, in den anderen Bundesstaaten 
dem Reichsgerichte zusteht ?). Die Kompetenz des Reichsgerichtes ist 
in diesem Falle daher eine subsidiäre, nur in Ermangelung eines 
Verwaltungsgerichtshofes begründete; wenn diese Voraussetzung aber 
gegeben ist, so tritt die Kompetenz des Reichsgerichts kraft Gesetzes 
ein, ohne daß es einer besonderen kaiserlichen Verordnung bedarf, 
durch welche die Vorentscheidung dem Reichsgericht zugewiesen wird’). 
Diese Zuständigkeit des Reichsgerichts ist nur in Elsaß-Lothringen und 
Mecklenburg begründet, da in diesen Staaten die Vorentscheidung im 
Falle des Verlangens der vorgesetzten Behörde erforderlich ist *), oberste 
Verwaltungsgerichtshöfe dagegen nicht bestehen. Die Vorentscheidung 
ist nur erforderlich innerhalb des Staates, welcher sie angeordnet hat; 
1) Infolgedessen ist das ältere preußische Recht, wonach durch die Vorentschei- 
dung festgestellt wurde, ob dem Beamten eine „zur gerichtlichen Verfolgung ge- 
eignete“ Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse zur Last fiel, wesentlich abgeändert 
worden. Vgl. das Urteil des preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 
1888 bei Reger Bd. 9, S. 349. In Elsaß-Lothringen ist die Vorentscheidung durch 
das Ausführungsgesetz zum BGB. 8 39 für die zivilrechtliche und strafrechtliche Ver- 
folgung eingeführt worden; ob sie vorher bestanden hat, war streitig. Das Reichs- 
gericht hat die Frage verneint. Entsch. des ]. Strafsenats vom 2. November 1899. 
2) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz 8 11, Ziff. 2. Die Vor- 
schriften des $ 11 zit. beruhen auf einem Kompromiß. In zweiter Lesung hat der 
Reichstag noch auf der Forderung beharrt, daß die zivil- und strafrechtliche Verfol- 
gung der Beamten wegen Verletzung der Amtspflichten an keinerlei erschwerende 
Voraussetzungen geknüpft werde. Vgl. Stenogr. Berichte 1876, S. 373 ff. (Hahn 
S. 1447); NadbylS. 821. 
3) Aus demselhen Grunde hört auch die Zuständigkeit des Reichsgerichts ipso 
jure auf, wenn in dem betreffenden Staate nachträglich ein Verwaltungsgerichtshof 
errichtet wird. 
4) Elsaß-Lothr. Ausführungsgesetz zum BGB. $ 39; Mecklenburg-Schwerinsche 
Verordnung vom 5. Mai 1879 (Regierungsbl. S. 101) und Mecklenburg-Strelitzsche 
Verordnung vom gleichen Tage (Offizieller Anzeiger S. 137). Vgl. Löwe Note 3 
und 7 zu $ 11 zit. Ueber die in den Einzelstaaten getroffenen Bestimmungen, na- 
mentlich über das preußische Recht, vgl. Nadbyl S. 822 ff. und Gravenhorst 
a. a. O. über das vom Reichsgericht zu befolgende Verfahren vgl. dessen Entsch. in 
Zivilsachen Bd. 64, S. 250 und dazu Bd. 70, S. 102.
	        
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